Kultur: Den Krieg anfassen
Potsdam Museum schickt Schüler auf Spurensuche
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Manches begreift man erst so richtig, wenn man es anfassen kann. Wie die zur Milchkanne umfunktionierte Flakgranate. Die erzählt am Ende mehr vom Krieg als Schlachten und Verträge. Deshalb ist auch das Vorurteil Quatsch, nach dem Kinder und Jugendliche sich nicht für Geschichte interessieren. Wie fruchtbar eine kreative Herangehensweise an historische Themen jenseits des häufig starren Geschichtsunterrichts sein kann, zeigt ab dem 7.8. die Sonderausstellung „Spurensicherung 1945“ im Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte. Die Ausstellung geht auf eine landesweite Initiative des Museumsverbandes Brandenburg in Kooperation mit Schulen, Jugendverbänden und Museen zurück. Die Idee war, so Christian Hirte, Mitinitiator der Ausstellung und Mitglied des Museumsverbandes, einen Dialog zwischen Zeitzeugen des Zweiten Weltkieges und der Generation der Gegenwart zu schaffen.
Dafür sollten in einer Projektarbeit Schüler Erinnerungen, Gegenstände und Geschichten aus dem Jahr 1945 sammeln. Anlass ist das 70-jährige Jubiläum des Kriegsendes und die damit verbundene – wahrscheinlich letzte – Chance, Zeitzeugen zu befragen. Persönliche Erinnerungen erzählen oft aus einer anderen Perspektive als die offizielle Geschichtsschreibung. Es geht also auch um die Frage, wie an Geschichte erinnert wird – und wie sie weitererzählt wird.
Dem Aufruf des Museumsverbands sind im letzten Jahr Schulen in ganz Brandenburg gefolgt, aber auch einzelne Schüler beteiligten sich. Die jungen Historiker im Alter zwischen 11 und 17 Jahren haben ihre Themen selbstständig ausgearbeitet und zusammen mit Museumsmitarbeitern und Projektpartnern eigene Fragen, Methoden und Interpretationen entwickelt. So werden dann in der Ausstellung neben den Objekten auch mediale Arbeiten wie eine Facebookseite, interaktive Karten, Interviews mit Zeitzeugen und die Recherchearbeiten, also die eigentliche „Spurensicherung" der Schüler zu sehen sein. Ergänzt wird das Projekt durch Leihgaben von Privatpersonen und anderer Museen.
Die Zeitzeugen, die interviewt wurden oder deren Erinnerungsstücke ausgestellt werden, waren 1945 meistens selbst noch Kinder oder Jugendliche. Ihre Alltagsgeschichten – von Holocaust-Überlebenden ebenso wie von Zwangsarbeitern, deutschen Soldaten oder Kindern – ermöglichen einen direkten und trotzdem differenzierten Blick auf das Kriegsende. Die Exponate, etwa der mit einem großen roten Kreuz bemalte Kinderwagen, der zum Transport von Medikamenten und Verbandsmaterial benutzt wurde, Spielzeug, das heimlich auf der Flucht mitgenommen wurde oder auch Swastika-Armbinden, die nach Kriegsende auf dem Dachboden versteckt wurden, erzählen von diesem Jahr 1945, das geprägt war von Krieg und Zerstörung, Befreiung und Besatzung, Frieden und Heimkehr, Flucht und Vertreibung. Begleitend zur Ausstellung wird ein Katalog mit selbstverfassten Beiträgen der jungen Forscher erscheinen. Außerdem ist ein Werkstattgespräch geplant, in dem die Schüler von ihrer Recherche berichten. Sarah Stoffers
Das Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte zeigt die Ausstellung „Spurensicherung 1945“ vom 7. August bis zum 4. Oktober.
Sarah Stoffers
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