Von Klaus Büstrin: Den „Mount Everest“ bestiegen
Die h-Moll-Messe zur Eröffnung der Bachtage Potsdam 2009 in der Friedenskirche Sanssouci
Stand:
Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe ist unumstritten eine der schwierigsten und bedeutendsten Kompositionen: der Mount Everest der Chormusik. Nur wenigen Ensembles gelingt es, mit wunderbarer Meisterschaft diesen „Berg“ zu bezwingen. Mit einer kleinen Gruppe kann man oftmals eher eine maximale Beweglichkeit erreichen, als mit einer großen Truppe, zumal bei Laien, die sich zäh und langwierig zum Gipfel heranpirschen müssen. Björn O.Wiede hatte bei seinem „Aufstieg“ ausschließlich professionelle Mitstreiter mit von der Partie.
Mit der h-Moll-Messe eröffnete Intendant und Dirigent Björn O. Wiede am Freitagabend die diesjährigen Bachtage Potsdam in der Friedenskirche Sanssouci. Zum neunten Mal finden sie bereits statt. Immer stärker gestaltet sich dieses vierzehntägige Festival zu einem musikalischen Höhepunkt in der Landeshauptstadt und darüber hinaus. 16 Veranstaltungen stehen 2009 auf dem Programm.
Für die Aufführung der Messe stellte Wiede ein kleines Instrumental- und Sängerensemble zusammen: das Exxential Bach mit 26 Mitwirkenden aus mehreren Ländern. Sängerisch wurde das Opus Magnum von sieben Sänger-Solisten bestritten. Bei der Achtstimmigkeit des „Osanna in excelsis“ verließ Wiede das Dirigentenpult und sang im Doppelchor mit. Mag die Besetzungsgröße in puncto Sängern bei manchem Zeitgenossen noch umstritten sein, letztendlich kommt es darauf an, ob die Spiritualität des Werkes und die Ausstrahlung der Interpretation den Hörer erreicht. In der Friedenskirche hat sie es auf besondere Weise getan.
Keinerlei Spur von Pomp war zu vernehmen, weder im Orchester, das mit seinem vibratolosen Spiel bestach, noch bei den Sängerinnen und Sängern Barbara Christine Steude und Heidi Maria Taubert, Sopran, David Erler und Ulrich Weller, Alt, Michael Schaffrath und Tobias Hunger, Tenor, sowie Sebastian Bluth, Bass. Sie sorgten dank ihres einheitlichen, tonschönen und präzisen Singens dafür, dass sich der Hörer selbst im engmaschigsten Stimmengewebe – etwa in der langen Fuge im „Kyrie eleison“ – nicht verlor. Dynamisch perfekt ausgearbeitet war auch das „Osanna in excelsis“ mit seinem bewegten, klar akzentuierten Puls, der Schluss des „Crucifixus“, bei dem zu den Worten „et sepultus est“ wirklich ein letzter Lebensatem ausgehaucht zu werden scheint, oder das intensive, flächige „Et in terra pax“. Es war bewundernswert, wie die Sängerinnen und Sänger die solistischen und chorischen Partien meisterten. Da war bei ihnen in keinem Moment ein „Abschalten“ möglich. Sie waren immens gefordert bis zum letzten Ton, auch der Zuhörer.
Die h-Moll-Messe unter der Leitung von Björn O. Wiede erklang fein gewirkt, flüssig musiziert. Auch recht virtuose Tempi waren zu vernehmen. Das exzellent besetzte Kammerorchester, unter anderen mit Wolfgang Hasleder, Violine, Kathrin Sutor, Violoncello, Sarah Perl, Violone, Sabine Erdmann, Orgel, Reinhold Friedrich, Trompete, Jana Semerádova, Flöte, Marek Niewiedzial, Oboe, oder John Manganaro, Horn, war daran in besonderem Maße beteiligt. Sie spielten auf dem hohen Niveau eines Ensembles mit historischen Instrumenten – luzid und transparent in den kammermusikalischen Arien, mit großer Strahlkraft und Glanz, aber immer noch transparent in den groß besetzten Abschnitten.
Diese Messe würde ans Herz greifen, sagte Bachs Zeitgenosse Johann Mattheson. Die Aufführung zur Eröffnung der Bachtage in der leider nicht ausverkauften Friedenskirche hat es bewiesen. Die Zuhörer dankten den Mitwirkenden mit langem Applaus. Es gab Standings ovations und Bravorufe.
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