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Kultur: Der Abend der Domröse

Viel Klamauk bei der umjubelten Premiere des Volksstücks „Filumena“ am Hans Otto Theater

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Was ist aus Paul und Paula geworden: 35 Jahre nach ihrer großen Liebe? Das fragten sich nicht nur die Zuschauer, sondern auch Regisseurin Petra Luisa Meyer. Immer mal wieder erinnert sie mit kleinen Anspielungen an die einstige DEFA-Legende. Doch ihre „Filumena“-Inszenierung, die am Donnerstag am Hans Otto Theater Premiere hatte, ist aus einem anderen Holz. Grob behauen, fliegen hier dicke Klötze, statt feine Späne. Ganz dem Autor Eduardo De Filippo verpflichtet, nimmt sie es Italienisch. Und das heißt an diesem Abend vor allem schrill, derb und laut. Wie in jeder herkömmlichen Klamotte fällt man in die Torte, rutscht auf glitschigem Boden aus, um pudelnass dem Bad zu entsteigen. Slapstick wie aus der Stummfilmzeit: streckenweise wenig überraschend.

Dazwischen hat Angelica Domröse ihre großen Momente. Es ist ihr Abend. Wenn sie in einem langen Monolog erzählt, wie sie fast noch als Kind der häuslichen Hölle entrinnt und notgedrungen zur Hure wird, ist das ergreifend. Und auch ihre Tränen, mit denen sie ihr nicht ausgelebtes, lange verborgen gehaltenes Muttersein beweint, rühren an. Man fühlt ihre Zwänge, wenn sie auf keinen Fall preis geben will, welcher ihrer drei Söhne von dem Dauergeliebten Domenico ist. Denn ein Kind ist ein Kind, und keines soll zu Lasten des anderen besser gestellt werden. Das Mutterherz Filumenas pocht klangvoll durch die Turbulenzen.

Doch diese Tiefen werden immer wieder von dem mitunter überbordenden Klamauk überdeckt, von dem am Ende wenig haften bleibt. Vor allem aber fehlt Angelica Domröse das ebenbürtige Gegenüber. Winfried Glatzeder als der abgetakelte Gigolo Domenico, der von Filumena auf vorgetäuschtem Sterbebett zum lang ersehnten Ja-Wort verleitet wird, wirkt allzu glatt. Mit versunkenem Blick schaut er wie auf dem Bild einer Ahnengalerie über das Publikum hinweg – wenn er nicht gerade wütend über die Bühne schnaubt oder sich wie ein Gockel selbst hofiert. Für einen blutvollen Domenico, der 35 Jahre Filumena aushält bzw. von ihr ausgehalten wird, fehlen ihm die Facetten, was sicher auch im Stück mit begründet liegt. Von der Liebe, die die beiden trotz vieler Tiefs über die Jahrzehnte zusammen gehalten hat, ist selbst nach der zweiten, nunmehr richtigen Hochzeit nichts als ein lauwarmer Hauch zu spüren.

Dennoch war es ein vielfach virtuoser Abend, der das Opernhafte der Aufführung schauspielerisch unterfüttert. Neben der noch immer sehr attraktiven Domröse, die selbst mit kleinen Gesten beredt „erzählt“ und leichtfüßig zwischen kokettem Mädchen und kraftvoller Furie wandelt, überzeugt auch Monika Lennartz als Filumenas Vertraute. Sie füllt ihre Figur mit herrlich leichtem Humor und präzisem Spiel. Die drei Söhne Filumenas, die erst erwachsen voneinander und von ihrer sie im Verborgenen unterstützenden Mutter erfahren, sind zwischen Handwerker und Schöngeist angelegt. Vor allem Michael Scherff weiß neben Ulrich Rechenbach und Helge Sauer seine Sohn-Figur mit temperamentvoller Komik auszukleiden. Schön, wie sich die Männer in Zeitlupe bekriegen oder die „drei Tenöre“ persiflieren. Witzig auch die Idee, die Söhne nebst aufmüpfigem Dienstmädchen (Ulla Schlegelberger) vor die Tür zu schicken, wo sie im plötzlich fallenden Schnee fast erfrierend ihre Zigarette rauchen. Das sind Szenen, an die man sich erinnert, weil sie augenzwinkernd überraschen. Und sie zeigen, dass die Regisseurin es gar nicht nötig hat, in die abgegriffene Klamottenkiste zu greifen.

Insgesamt hätte man diesem auch mit italienischen Flair ausgestatteten, durchaus originellen Volksstück (Bühnenbild: Matthias Schaller, Kostüme: Jessica Karge) sicher hintergründiger und gerade anfangs mit leiseren Tönen beikommen können. Das Publikum feiert den Abend euphorisch. In seinen besten Momenten erinnert das Stück durchaus an Paula: an eine Frau, die sich durchbeißen muss, und als sie das Glück endlich zu fassen kriegt, aus dem Leben geht. Doch von „Paul“ bleibt nur ein Abziehbild.

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