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Kultur: Der Anfang vom Ende Jesu

Die erste von sechs Passions-Andachten in der Friedenskirche

Stand:

Wiederum ist „Dornenzeit“, die Zeit der Stille, der Gedanken leiser Gang, des Abschieds, des Weilens und des Ruhms, wenn junges Grün noch fern, des Frühlings leiser Wind... Mit diesem schon im letzten Jahr programmatisch gesetzten Gedicht von Pfarrer Markus Schütte eröffnete die Gemeinde der Friedenskirche am Samstag eine Reihe von sechs musikalischen Passions-Andachten, welche ihre Gäste auf das Osterfest einstimmen will.

Vorn am Altar brannten die Kerzen, daneben hatte man Dornengezweig niedergelegt, denn Christen gedenken ja hierzulande mehr des Leidens und Sterbens von Jesu am Kreuz als der freudigen Auferstehung und des ewigen Lebens. So ließ diese erste Andacht den gut sechzig Besuchern viel Raum zur Meditation in eigener Stille für „diese besondere Zeit“. Markus Schütte las aus dem Johannes-Evangelium von der Salbung Jesu durch Maria genau sechs Tage vor Golgatha, fünf vor seinem Einzug in Jerusalem auf einem Esel: der Anfang von seinem irdischen Ende. Hier schon klingt der notwendige Verrat des Judas auf, hier beschloss der Hohepriester Kaiphas, lieber einen „für das Volk“ sterben zu lassen, als dass das „ganze Volk verderbe“ – und mit ihm auch Lazarus, weil dessen Auferweckung von den Toten allzu machtvoll vom Wirken Jesu gezeugt.

Verhaltene Worte aus dem Altarbereich, ruhig, voller Ehrfurcht. Ganz in Stille auch jenes Gedicht, worin Kurt Martin die Passion Christi in bangenden Gedanken beschreibt, fürchtend, er könnte sich bei seiner Wiederkehr durch „unsere Unheilsgeschichte“ womöglich „verlaufen“ – nützliche Anregungen für den ruhebedürftigen Geist auf dem Gestühl, mit höchster Wirkung unterstützt von einer brillant gewählten und vorzüglich dargestellten Orgel-Literatur. Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob hatte Carl Philipp Emanuel Bachs Fantasie und Fuge c-Moll (1755) an den Anfang gesetzt, ein dynamisches, recht unruhig wirkendes Werk mit meditativen Läufen, dramatischen Crescendi, welche sich im Finale zu einer absteigenden, fast gigantischen Coda finden. Dies mochte dem Inneren des modernen Menschen angemessen sein, wie auch Gerhard Rosenfelds „Tre Visioni“ von 1992, atonale Gebilde voller Flimmern, wo dumpfe Bässe mit schwirrenden Vibrati ringen, starke Dissonanzen neben sehr melodischen Läufen stehen. Das mittlere Molto vivo hat sogar Jazz-Einflüsse verarbeitet. Eindrucksvoll auch diese sehr stringente Interpretation in einer klug aufs Emotionale gesetzten Musik-Dramaturgie. Von Vater Bachs Choralbearbeitungen löste „Ein“ feste Burg ist unser Gott“ die Spannung in fast übermütige Freude auf, während zwei weitere, aus dem „Orgelbüchlein“, die Temperamente wieder zügelten. César Franck vollendete diese Passions-Andacht mit dem ins Grandiose erhobenen Choral II (h-Moll) in würdiger Schönheit. Doch nicht der Tod ist ja „Dornenzeit“s" Ausgang, sondern die Auferstehung – im jungen Grün des Frühlings. Gerold Paul

Nächste Andacht am kommenden Samstag um 17 Uhr

Gerold Paul

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