Kultur: Der Architektur auf der Spur
Bücher zu Babelsberg und Klein Glienicke
Stand:
Geschichte liegt oft schon vor der eigenen Haustür. Sie muss nur entdeckt werden. Gelegentlich sind dafür aber kleine Hilfen nötig.
Der Delmenhorster Verlag Aschenbeck & Holstein liefert solche kleinen Hilfen, die zur Entdeckung der Baugeschichte im architekturverwöhnten Potsdam einladen sollen. In der Reihe „Landhäuser & Villen. Berlin und Potsdam“ liegen jetzt zwei schmale Bücher zu „Neubabelsberg, Griebnitzsee, Stalin-Villa“ und das „Dorf Klein Glienicke, Glienicker Schlösser“ vor. Die beiden Bücher sind Angebote für Touristen, die mehr von einem Besuch in dieser Stadt erwarten, als das Abhaken der Höhepunkte wie Sanssouci, die historische Innenstadt und vielleicht noch der Neue Garten. Und es sind aber auch Bücher für den Anwohner, der mehr über die Geschichte der Häuser in seinem Stadtteil wissen möchte.
Das Grundprinzip dieser Bücher ist das persönliche Erwandern der städtebaulichen Geschichte. Einem kurzen Abriss zur jeweiligen Stadt- oder Ortsgeschichte folgt schnell die Einladung zum entsprechenden Spaziergang. In dem von Jana Galinowski verfassten Band „Neubabelsberg, Griebnitzsee, Stalin-Villa“ ist der Startpunkt der S-Bahnhof Griebnitzsee. Und damit die Geschichtstour nicht zur Tortur wird, beschränkt sich der Rundgang auf drei Stunden. Jana Galinowski empfiehlt das Fahrrad, denn so könne man noch einen Abstecher in den Schlosspark Babelsberg oder nach Klein Glienicke unternehmen.
Zuerst aber ein kurzer Fußweg über die Rudolf-Breidscheid-Straße, dann nach rechts in die Karl-Marx-Straße und schon steht man vor dem ersten Haus, der Villa „Katsch“. Von den Gründern der Villenkolonie Neubabelsberg, den Baumeistern Ende und Böckmann, 1890 erbaut, beherbergt das rote Backsteingebäude heute einen Kindergarten, ist in dem Buch von Jana Galinowski zu lesen. Doch warum die Villa den Namen „Katsch“ trägt, verrät sie nicht.
Zur gleich daneben liegenden Villa des Verlegers Müller-Grote, heute bekannt unter dem Namen „Truman-Villa“, weiß Jana Galinowski dagegen umso mehr, so dass sie diesem Gebäude gleich vier Seiten widmet. So geht es munter weiter auf diesem Stadtspaziergang, vorbei an den Häusern, an denen bekannte Architekten wie Alfred Grenander, Hermann Muthesius, Mies van der Rohe und Egon Eiermann ihre Spuren hinterlassen haben. Mal wird das Buch seinem Anspruch gerecht, Architekturgeschichte näher zu bringen. Gelegentlich aber liest man nur hilflose Sätze wie zum „Landhaus Weber“ in der Karl-Marx-Straße 6, wenn da steht: „Das Landhaus Weber wurde laut Denkmalverzeichnis um 1906/07 vermutlich von Architekten Erdmann & Spindler erbaut“. Wirklich zufrieden stellen den architekturinteressierten Spaziergänger solche Auskünfte nicht. Hinzu kommt, dass man dem mit 68 Seiten schmalen Buch ein gründlicheres Lektorat gewünscht hätte.
Überzeugender und detaillierter ist der Band „Dorf Klein Glienicke, Glienicker Schlösser“ von Ingo Krüger. Schon der einführende Satz zum ersten Bauwerk der Entdeckungstour, der Loggia Alexandra auf dem Böttcherberg, zeigt, dass hier ein Autor schreibt, für den Empathie in Sachen Architektur kein Fremdwort ist. „Das erste Bauwerk auf unserer Route ist ein kleines Juwel“, so Ingo Krüger. Es ist ein Satz, der einen sofort sanft und unmissverständlich einlädt, und der hält, was er verspricht. Krüger versteht es lebhaft zu beschreiben. Er öffnet den Blick für die Umgebung der Gebäude, erklärt mit Leichtigkeit die zahlreichen architektonischen Bezüge und lässt den Spaziergang durch einen der schönsten und wohl noch am wenigsten bekannten Stadtteil wirklich zu einer Entdeckungstour werden. Keine trockenen Zitate aus dem Denkmalverzeichnis, Ingo Krüger scheut sich nicht, auch die heutigen Anwohner der Schweizer Häuser in Klein Glienicke zu Wort kommen zu lassen, um so manch verborgenes Detail in der Architekturgeschichte dieses Ortes freizulegen. Im Gegensatz zu Jana Galinowski verzichtet Ingo Krüger auf eine zeitliche Begrenzung seines Spaziergangs. Denn mit dem richtigen Buchbegleiter in der Hand wird die Zeit auf einem solchen Rundgang zur Nebensache. Dirk Becker
Die Bände „Neubabelsberg, Griebnitzsee, Stalin-Villa“ und „Dorf Klein Glienicke, Glienicker Schlösser“ in der Reihe „Landhäuser & Villen. Berlin und Potsdam“ sind im Verlag Aschenbeck & Holstein, Delmenhorst, erschienen und kosten jeweils 9,80 Euro
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: