Kultur: Der Balance-Akt einer Spielerin
Annett Louisan präsentierte am Mittwoch im Nikolaisaal ihr neues Album
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Annett Louisan präsentierte am Mittwoch im Nikolaisaal ihr neues Album Max Spallek hat keine leichte Aufgabe: Der Moderator des Radiosenders Fritz steht etwas verloren auf der Bühne des Nikolaisaals und soll die auserwählten, zumeist jugendlichen Gäste auf ein „besonderes Ereignis“ einstimmen. Popsängerin Annett Louisan veröffentlicht in der kommenden Woche ihr neues Album „Unausgesprochen“ und gibt vorab schon mal eine Kostprobe. Die Karten für das kleine, exklusive Konzert, das live im Radio übertragen wird, waren nicht käuflich zu erwerben, sondern wurden ausschließlich verlost. Dröger Pop, das wissen all jene, die das vom französischen Chanson inspirierte Album-Debüt „Bohème“ kennen, ist die Sache der Sängerin nicht. Und deshalb ist es für Max Spallek auch schwer, das Publikum auf die richtige, sprich: dem Anlass angemessene Stimmung einzuschwören. Er fordert einen „feuilletonistischen Applaus, und bitte bloß kein Rock’n’Roll Gegröle“. Als Annett Louisan dann die Bühne betritt, auf halsbrecherisch hohen Stiefeln stolz zum Mikrofon schreitet und sich zwischen ihre drei Musiker stellt, halten sich die Gäste artig daran. Kein frenetischer Jubel, kein tosendes Klatschen. Statt dessen kultiviertes Applaudieren zur Begrüßung. Das ist stilvoll, das ist elegant – und es passt zu der blonden Chanteuse mit der feenhaften Erscheinung. Die 26-Jährige eröffnet den Abend sogleich mit einem ihrer neuen Stücke. „Torsten Schmidt“ heißt es, handelt von einem unausstehlichen Menschen und wird von Annett Louisan mit beschwingter Leichtigkeit dargeboten. Mit eben dieser Leichtigkeit führt sie die Zuschauer auch durch den Rest ihres Programms, bei dem natürlich auch die großen Erfolge wie das berühmt-berüchtigte „Spiel“ oder „Das Gefühl“ nicht fehlen dürfen. Hielt sich Annett Louisan noch auf ihrem Erstling stark an den französischen Chanson und Straßenjazz, so hat sie ihr neues Repertoire dank Produzent Frank Ramond stilsicher um Elemente des Tangos oder Salsas erweitert. Annett Louisan wirkt während ihrer knapp einstündigen Show locker und gelöst. Von der Aufregung, die ihr zu Beginn der Karriere gelegentlich ein leichtes Zittern in die Stimme trieb, ist nichts mehr zu spüren. Die Wahlhamburgerin fühlt sich auf der Bühne wohl. Mit keckem Hüftschwung stolziert sie zum Bühnenrand. Flirtet mit dem Publikum. Streicht sich mit sanfter Handbewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das Säuseln, Flüstern, Flöten ihrer Stimme fesselt die Gäste. Andächtig lauschen sie den sparsam instrumentierten Stücken, die die Pop-Lolita mal selbstbewusst keck, mal mit einem ironischen Augenzwinkern präsentiert. Natürlich – und dessen ist sich die Sängerin durchaus bewusst – besteht bei dieser Inszenierung auch immer die Gefahr des Seichten, des Albernen. Doch der Balanceakt zwischen Kunst und Kitsch gelingt. Da kann man es den Zuschauern nicht verübeln, dass sie sich am Ende des Konzerts nicht an den eingangs geforderten stilvollen Applaus halten, sondern frenetisch jubeln und begeistert pfeifen.Nana Heymann
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