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Hauptsache es macht Spaß! Wolfgang Mondon als Tartuffe und Sterica Rein als Dorine.

©  marameo/Andreas Lander

Von Klaus Büstrin: Der böse Eiferer

Molières Komödie „Tartuffe“ wird im Hof der La Grand Ecole vom Theater Marameo gespielt

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Ein Scheinheiliger ist er, dieser Tartuffe. Unter der Maske tugendhafter Frömmigkeit schleicht er sich in das Vertrauen eines Familienvaters ein, so dass dieser seinen Sohn verflucht, aus dem Hause jagt und Tartuffe bittet, sein Schwiegersohn und einziger Erbe zu werden.

Das Theater Marameo, das vor allem in Magdeburg beheimatet ist, hat sich in seiner diesjährigen Sommersaison dem Stück des französischen Klassikers Jean Baptiste Molière angenommen und wird es ab kommenden Samstag im Hof der La Grande Ecole, in der Großen Stadtschule , zur Aufführung bringen. Der Ort hat mit dem Namen eines anderen Großen der Weltliteratur zu tun, mit Heinrich von Kleist, von dem man, als er hier die Schule besuchte noch nicht ahnte, dass er einer der wichtigsten deutschen Dichter werden würde.

Das Theater Marameo hat im Schulhof seit mehreren Jahren einen reizvollen Platz gefunden, in dem es seine Sommertheaterinszenierungen präsentiert. Zumeist sind es Klassiker: „Romeo und Julia“, „Der Diener zweier Herren“ oder „Gefährliche Liebschaften“. In diesem Jahr nun „Tartuffe“. Regie wird wiederum Andreas Lüder, der Gründer von Marameo, führen. Von Anfang an war es Lüder und seinen Mitstreitern wichtig, „Theater mit einfachen Mitteln zu machen, wobei der Schauspieler und das Spiel immer im Vordergrund stehen“.

„Tartuffe“ gehört zu den wichtigsten Komödien Molières, der Theaterdirektor, Schauspieler, Regisseur und Dichter in einer Person war. Seine Zeitgenossen erkannten sich, als das Stück im Mai 1664 während der vom König Ludwig XIV. initiierten Festspiele „Die Vergnügungen der verzauberten Insel“ erstmals über die Bühne ging, im Heuchler Tartuffe wieder. Und die Betroffenen wehrten sich. Zwar hatte der König über das Stück gelacht, aber am nächsten Tag verbot er es auf Drängen des Erzbischofs von Paris und aus staatspolitischen Rücksichten. Molière reagierte darauf. Er überarbeitete die Komödie und veränderte den falschen Frommen zu einem bösen Eiferer, dem nur der König Einhalt gebieten kann.

Fünf Jahre lang kämpfte der Dichter um die Wiederaufführung des Stückes. „Wenn man sich die Mühe gibt, mein Lustspiel gewissenhaft zu prüfen , so wird man sicher gleich bemerken, dass meine Absichten durchaus schuldlos sind und dass es sich keineswegs über ehrwürdige Dinge lustig macht, dass ich die Sache mit all der Vorsicht behandelt habe, die der delikate Gegenstand verlangte, und dass ich alle mögliche Kunst und Sorge angewandt habe, um den Unterschied des Heuchlers vom Frommen hervortreten zu lassen“, schrieb der Dichter in einer Vorrede zur ersten Buchausgabe 1669.

Die Plattform „Wir sind Kirche“, ein österreichischer Verein zur Förderung von Reformen in der römisch-katholischen Kirche, gab seine Gedanken über „Tartuffe“ preis und veröffentlichte sie auf ihrer Homepage im März dieses Jahres: „Obwohl das Stück viele typisierte Elemente enthält, bleibt die Infragestellung einer Religion, die sich zur Diktatur entwickeln kann, revolutionär“.

Molière rächte sich an den Urhebern des Aufführungsverbots, den kirchlichen Würdeträgern, mit seiner Komödie „Don Juan“. Die spanische Originalgeschichte konnte der Dichter als bekannt voraussetzen. Aus dem Munde des Dieners Sganarelles klangen die christlichen Glaubenssätze eher einfältig als überzeugend, während die gotteslästerlichen Reden Don Juans die Szene beherrschten. Dieses Stück wird Tobias Wellemeyer ab Oktober im Hans Otto Theater auf die Bühne bringen.

Potsdam hat seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Molière-Tradition gepflegt. Vor allem im Schlosstheater im Neuen Palais hat man die Inszenierungen realisiert. Es dominierten dabei oftmals derbe Lesarten, gekennzeichnet von scharfen Überzeichnungen. Die Mehrzahl der gezeigten Aufführungen eiferte mit grellem Spaß-Theater. Für den „Tartuffe“ im Jahre 1978 war Uta Birnbaum, die von Bertolt Brecht geprägt wurde, verantwortlich. Ihre Regie war von fast kühler sezierender Genauigkeit und Aktualität in Sachen Heuchlertum.

Brecht sagte, dass man Molière nicht so spielen sollte, „wie er 1850 gespielt wurde (und 1950). Gerade die Vielfalt der Erkenntnisse und Schönheiten seiner Werke erlaubt es, Wirkungen aus ihnen zu holen, die unserer Zeit gemäß sind“. Das Theater Marameo wird seine eigene Lesart gefunden haben. Heiteres Sommertheater inklusive Tiefgang darf man erwarten.

Premiere von „Tartuffe“ am Samstag, 5. September, 19.30 Uhr im Hof der Schule des Zweiten Bildungsweg „Heinrich von Kleist“, Friedrich-Ebert-Straße 17. Der Eintritt kostet 15, ermäßigt 12 Euro

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