Kultur: Der Charme der alten Dame Konzert mit Marco Battaglia in der Villa Ritz
Sie war seine Erinnerung an und Verbindung zu seiner Heimat Italien. Eine zierliche Begleiterin mit bezaubernder Stimme voll stolzem Klang.
Stand:
Sie war seine Erinnerung an und Verbindung zu seiner Heimat Italien. Eine zierliche Begleiterin mit bezaubernder Stimme voll stolzem Klang. Giuseppe Mazzini, einer der großen Vordenker der italienischen Einheit vor 150 Jahren, hat in seinen Jahren des Exils immer wieder diese Begleiterin zur Hand genommen. Und ihr Charme wird wohl schon damals überwältigend gewesen sein.
Dass sie diesen Charme auch noch heute hat, und das im mittlerweile stolzen Alter von 200 Jahren, war am Freitagabend in der Villa Ritz zu erleben. Der italienische Gitarrist Marco Battaglia hatte auf Einladung von Il Ponte, der Brandenburgischen Gesellschaft der Freunde Italiens, ein Konzert mit Werken von Paganini, Giuliani, Regondi, Mertz und Legnani gegeben. Werke, die auch dem Gitarrenliebhaber Mazzini bekannt waren und die dieser, wie in seinen Briefen nachzulesen, auch selbst gespielt hat.
Gut 80 Besucher waren an diesem Abend gekommen, um Mazzinis Gitarre, 1811 in der Werkstatt von Gennaro Fabbricatore gebaut, zu hören und so, wie es die Veranstalter betonten, eine andere Seite des Revolutionärs kennenzulernen.
Zwei Sonaten des Violinvirtuosen Niccolò Paganini, der auch die Gitarre sehr zu schätzen wusste, drei Studien von Giulio Regondi und fünf Capricci aus der Feder von Luigi Legnani gehörten zu den überzeugendsten Darbietungen Battaglias. Charakterstücke, die sich anfangs auf einfache Melodien oder Akkordfolgen beschränken, sich dann aber zu kunstvoller Virtuosität aufschwingen. Hier wusste Battaglia das ganze Spektrum dieser Gitarre zu nutzen. Der harte und markige, fast stechende aber nie unangenehme Klang beim Anschlag in der Nähe des Steges; das weich Schmeichelnde, fast Süßliche beim Spiel über dem Schallloch hin zum Griffbrett. In diesem zierlichen, die Höhen und Mitten betonenden Instrument, steckt, das machte Battaglias Spiel deutlich, eine doch immer wieder erstaunliche Klangfarbenvielfalt. Nur leider bei der anspruchsvollsten Komposition des Abends, der Rossiniana Nr. 5 op. 123, blieb das nur eine Ahnung.
Sechs solcher Rossiniane hat Mauro Giuliani als Hommage an die Opern von Rossini geschrieben. Und die Rossiniana Nr. 5 op. 123 ist die bis heute am häufigsten gespielte, weil sich hier Giulianis Meisterschaften im Spannungsreichen, musikalischem Erzählen und Klangschönem aufs Trefflichste verbinden. Anders gesagt: Die Rossiniana Nr. 5 op. 123 ist virtuoses Teufelszeug, in der eine spieltechnische Gemeinheit auf die nächste folgt. Hier beweist sich wahre Meisterschaft auf dem Instrument.
Battaglia zeigte schon früh Unsicherheiten, denen er anfangs mit Kraft begegnen wollte. Doch die Rossiniana lässt sich nicht bezwingen, und so entstand schon bald der Eindruck, dass Battaglia diesen Hochschwierigkeitsparcours nur so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. Feinheiten und klangliche Spielereien, die pralle und burleske Opernlebenslust, die Giuliani hier so herrlich auf sechs Saiten übertragen hat, blieben dabei auf der Strecke. Bei Johann Kaspar Mertz‘ Opern-Revue op. 8 Nr. 27 nach Verdi dagegen wusste Battaglia mit seiner Interpretation wieder zu überzeugen. Trotzdem war dieser Abend der eindrucksvolle Auftritt einer Dame, die im hochbetagten Alter von 200 Jahren immer noch mit dem frischesten und lebensfröhlichen Charme zu bezaubern weiß.
Dirk Becker
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: