Kultur: Der Charme kaputter Häuser
Klassik plus Gespräch der Kammerakademie Potsdam: Nadja Uhl im Nikolaisaal
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Der Sturm, der mochte draußen wüten. Niemand erwartete bei „Klassik plus Gespräch“, jener mit Musik durchwirkten Talkreihe mit Prominenten im Nikolaisaal, zu der die Kammerakademie Potsdam gemeinsam mit dem Kulturradio regelmäßig einlädt, dass ein scharfer Wind aufkommt. Sanft bis zum Säuseln wird geplaudert, der Ehrengast darf sich von der besten Seite zeigen. Allenfalls Janni Struzyk, die mal schrill die Luft durch ihre Tuba blies, die sie an der Seite des Schlagwerkers Friedemann Werzlau zu witzig-modernen Kompositionen aufheulen ließ.
Diesmal saß die in Potsdam wohnende Schauspielerin Nadja Uhl neben der RBB-Moderatorin Danuta Görnandt, und blickte auf ein von Orkan Kyrill wohl um die Hälfte dezimiertes Publikum. Uhl hatte ihren Lebensgefährten Kay-Patrick Bockhold mitgebracht. Der Geschäftsführer jenes Vereins, der das Varieté Walhalla in der Potsdamer Innenstadt über Jahre hinweg mit straffällig gewordenen Jugendlichen langsam wieder zum Leben erweckt hat, ist zwar nicht berühmt, durfte aber das Leitthema des Abends vorgeben.
Das waren nicht die über 30 Filmrollen seiner Partnerin, sondern „kaputte Häuser“, wie Görnandt die Intention des Abends zusammen fasste. Denn Nadja Uhl steht hinter den engagierten Jugendhilfeprojekten ihres Freundes und lenkt ihre Prominenz, wie sie erklärte, ganz bewusst auf den guten Zweck, Jugendliche durch soziale Arbeit vor der Haft zu bewahren, der hinter dem Walhalla steht. Sie, erklärtes „Landmädel“, das aus Berlin wieder ins ruhigere Potsdam zurück kehrte, brauche solche „Erdung“ als Ausgleich zum roten Teppich, auf dem sie schon sehr gerne steht. Der Reiz des Walhalla läge für sie darin, dass ein Mittelpunkt der Kultur von Menschen wieder errichtet wurde, die eigentlich am Rande der Gesellschaft ständen.
Nadja Uhl, eine Prominente ohne Star-Gehabe? Sie habe selbst nur solche Stars erlebt, die bodenständig wären. Der Rest, sagt sie, sind Zicken. Ihr Einsatz für die sozialen Projekte ihres Freundes wäre gar nicht so uneigennützig. „Ich tue Dinge gerne, die mit dem Leben zu tun haben, vielleicht auch, damit ich mich nicht verliere.“
Uhl und Bockhold versäumen nicht, dem Hans Otto Theater für deren Hilfe am Bau zu danken. Ohne das Theater hätte man den Sprung zum Kulturveranstalter nicht geschafft. Das durchdringende Theaterlachen, was darauf hin zu hören war, stammte vom Intendanten Uwe Eric Laufenberg, der unter den Zuhörern war. Ob sie am HOT bald wieder als Schauspielerin zu sehen wäre? Uhl lächelt und sagt: „Überall wo Leute Spaß am Spiel haben, bin ich gerne dabei“. Man hätte darüber gesprochen.
Nach der Pause hämmerte Schlagzeuger Friedemann Werzlau auf einem Sammelsurium aus Pappkartons und Plastiktüten eine moderne Komposition von Bernd Thewes. Scharfes Ein- und Ausatmen durch die Zähne war ebenso deutlich notiert wie der Einsatz einer Styroporstange, die nervenzehrend gerieben wurde. Uhl ließ sich vom Musiker die Noten zeigen.
Das provisorische Instrument leitete über zur verfallenen Gutmann-Villa am Tiefen See, die das Paar jüngst zusammen mit anderen gekauft hatte. Sie hätten, so Uhl, gar keine Villa gesucht. Aber „so etwas kann einem nur passieren.“ Bei der ersten Besichtigung des äußerst angegriffenen Gebäudes sei man schlicht seinem Charme verfallen. Nun wohne man in einem Wirtschaftsflügel, die Instandsetzung dauere Jahre und werde „eine Arme-Leute-Sanierung“. Denn sie habe gar nicht so reichlich Arbeit, wie es scheine. „Sicher, ich bin gut im Geschäft, aber zwei Filme im Jahr, das ist nicht viel.“
Ein gut dotiertes Angebot aus Hollywood würde doch helfen? Uhl hat bereits international Erfahrung gesammelt, der Film „Zwillinge“ war aber kaum in Deutschland zu sehen. „Ich bin aber nicht so aufgeblüht, wie ich hätte aufblühen sollen“, meint Nadja Uhl selbstkritisch. „Heute“, sagt sie mit Blick auf ihren Freund, „hätte ich zu viel Heimweh“.
Matthias Hassenpflug
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