Kultur: Der Dampfer wird beladen
Der Förderverein der Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci lud zur Soiree in den Neuen Garten
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Die Engländer feiern ihre Musik: am liebsten mit Picknickkorb und Fähnchen. Wenn alljährlich die „Proms in the Park“ rufen und zu den traditionell-patriotischen Werken angestimmt wird, schunkeln Zehntausende im Hyde Park munter mit. Kein Grashalm bleibt von ihren mitgebrachten Gartenstühlen ungeschoren.
Während die Engländer ihren Gefühlen freien Lauf lassen, sitzen die Deutschen in Konzerten mit verkniffenem Mund und fürchten sich vor der Hingabe, so jedenfalls die Beobachtung von Elke Heidenreich, die am Freitagabend in der pointierten Rede von Klaus Büstrin zitiert wurde. Als Vorsitzender des Fördervereins der Musikfestspiele hieß er vor der Muschelgrotte im Neuen Garten über 80 Freunde und Förderer zur zweiten Festspielsoiree willkommen.
Der Ort war trefflich gewählt: Zum einen, da die Wiederherstellung der inneren Grotten-Pracht ebenfalls auf Sponsorengunst baut. Zum anderen, weil er eine der Kulissen von „Jazz in the Garden“ am 16. Juni ist: eine Offerte im besten englischen Unterhaltungssinne, auch wenn sicher keiner der Besucher ein Fähnchen schwenken wird. Dafür darf man aber vielleicht doch mit fröhlichem Zuspruch rechnen. Bei der Kostprobe von Filmorchester-Musiker Rolf von Nordenskjöld am Freitagabend war jedenfalls von verkniffenen Gesichtern keine Spur.
Das schließlich zum Schloss Cecilienhof wandelte Soiree-Publikum freute sich mit der Geschäftsführerin der Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci, Andrea Palent, dass bereits über 80 Prozent der Karten verkauft worden sind. „Schon im Februar waren 50 Prozent weg. Das ist Rekord.“ „Musica Britannica“ scheint also erfolgreich Brücken zu schlagen, unter denen das Kreuzfahrtschiff in Sachen musischer Bildung in See stechen kann. „Wir sind dabei, den Dampfer zu beladen“, so Andrea Palent. In Kürze beginnen in London die Proben zur komischen Oper „The Dragon of Wantley“, die einst der Sachse John Frederick Lampe komponierte: englisch-bodenständig und voll britischen Humors. Nun macht sich diese Erfolgsoper 270 Jahre später auf die lange Reise nach Potsdam: mit einer ganzen LKW-Ladung voll Dekoration. Auch für „King Arthur“, Purcells Bühnenerfolg, wird bereits die Deko gebaut, allerdings nur einen Steinwurf von Potsdam entfernt: an der Staatsoper Berlin.
Die Festspiele fischen in einem reichen Klangmeer, ziehen sich die Musik der Beatles ebenso an Land wie die von Edward Elgar oder Chris Barber. Auch Glanzlichter britischer Barockmusik werden aufgesteckt und es gibt eine musikalische Reise von der englischen Queen Elizabeth I. bis in die Pubs von Irland. Vielleicht eine Fußnote der Geschichte, aber dafür eine sehr schöne, seien die walisischen und englischen Volkslieder, die natürlich auch nicht fehlen werden, kündigte Festspiel-Dramaturgin Christina Siegfried an.
Nach all“ den verheißungsvollen und anregenden Gesprächen klang der Freitag im wahrsten Sinne des Wortes erhellend aus. Es war zugleich die Nacht der ersten Beleuchtungsprobe für Jazz in the Garden. Gut, dass die Festspiele ihren Dampfer gemeinsam mit der Schlösserstiftung packen. So kann er auch angesichts drohender Rasenlatscher keinen Schiffbruch erleiden. Heidi Jäger
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