Kultur: Der Dichterpfarrer
Der Lyriker Schmidt von Werneuchen wurde vor 250 Jahren in Fahrland geboren
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Frisch und originell klingen sie heute noch, die Verse des Dichters und Pfarrers Friedrich Wilhelm August Schmidt, der am 23. März 1764 im heutigen Potsdamer Ortsteil Fahrland geboren wurde. Hat Johann Wolfgang von Goethe, der Dichterfürst im fernen Weimar, vielleicht doch übertrieben, als er ihn und seine Verse 1796 parodierte, wenn nicht sogar verspottete, indem er seiner Geliebten empfahl, ihre Kinder künftig „auf dem Mist“ spielen zu lassen? Zumindest hat er dafür gesorgt, dass der märkische Poet seitdem in der Literaturgeschichte einen Namen hat.
Schmidts frühe Kindheit in Fahrland verlief unbeschwert, in dem Gedicht „An das Dorf Fahrland“ erinnerte er sich später noch an jedes Detail, an „die herrliche Schaukel von Stricken,/Die an den Nußbaum selbst ich geknüpft“ und an die „Backofen der Bauern, geschwärzt am dampfenden Rauchloch“.
Als er neun Jahre alt war, starb der Vater Bernhard Daniel, der seit 1751 Pfarrer gewesen war, ein in Fahrland beliebter und geachteter Mann, und die Mutter zog mit den fünf Kindern ins benachbarte Döberitz. 1775 wurde Schmidt Zögling des Schindlerschen Waisenhauses in Berlin, von 1781 bis 1783 besuchte er das Gymnasium im Grauen Kloster und anschließend studierte er bis 1786 Theologie in Halle. Nach der ersten Station als Feldprediger (Militärgeistlicher) am Berliner Invalidenhaus arbeitete er ab 1795 als Pfarrer in Werneuchen im Barnim. Das Ziel war erreicht: eine Stelle auf dem Lande, die er 43 Jahre lang bis zu seinem Tod innehaben sollte.
Zweimal verheiratete er sich, zuerst mit Henriette Brendel, sie starb 1809 im Alter von 39 Jahren, und 1811 mit Marie Friederike Vogel. Von seinen fünf Kindern überlebten ihn nur zwei.
Seine kreativsten Jahre, in denen er als Dichter bekannt und viel gelesen wurde, fielen mit den Anfängen seiner Tätigkeit in Werneuchen zusammen. Es war, als atmete er auf, der Stadtluft wieder entkommen zu sein. Zwischen 1796 und 1802 erschienen fünf Gedichtbände, erst 1815 folgte ein Nachzügler, ein sehr persönlich gehaltenes Buch, in dem er um Frau – Henriette war quasi seine Muse gewesen – und Sohn trauerte.
Was machte seine Verse nun aus, weshalb gefielen sie einerseits und wurden andererseits teilweise heftig und unsachlich als unbedeutend und provinziell kritisiert? Auf einen Nenner gebracht, verglich Schmidt, der nach seinem Wohnort auch Schmidt von Werneuchen genannt wurde, permanent das Leben auf dem Land mit dem in der Stadt. Ersterem gab er bei Weitem den Vorzug, die Existenz hinter Stadtmauern „voll Trug und Tücken“ erschien ihm nicht erstrebenswert, ja, er lehnte sie regelrecht ab. „Wird der Himmel einst dies Glück uns gönnen:/Dann, Berlin, vermissen wir dich gern,/Keiner deiner Thoren soll uns kennen,/Floh’n wir erst auf unser Dörfchen fern.“ Das provozierte und erzürnte die städtischen Kollegen und Kritiker natürlich.
Am meisten berühren seine Gedichte, wenn er diese Vergleiche unterlässt und ganz bei der Sache bleibt, der Beschreibung der Natur und des Landlebens: „Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die Federn/Über‘s Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich so gerne/In dem roten Kamine die Glut mit knisternden Spänen.“ Eine Reminiszenz an seine unbeschwerte Kindheit in Fahrland.
Aus diesem Gedicht („An das Dorf Fahrland“) zitierte auch der Wanderer Theodor Fontane, als er 1861 auf den Spuren Schmidts in Werneuchen unterwegs war und ein liebe- und verständnisvolles Porträt des „märkischen Poeten par excellence“ zeichnete. „Am vorzüglichsten war er da“, schrieb Fontane, „wo er in klassischer Einfachheit und in nie zu bekrittelnder Echtheit die märkische Natur beschrieb und den Ton schlichter Gemütlichkeit traf. Sein ganzes Dichten, Kleines und Großes, Gelungenes und Mißlungenes, einigt sich in dem einen Punkte, daß es überall die Liebe zur Heimat atmet und diese Liebe wecken will.“
Neun Jahre später, 1870, wanderte Fontane auch nach Fahrland („Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band 3. Havelland“) und besuchte das Pfarrhaus, das zu jener Zeit schon nicht mehr das Schmidtsche war, die Kirche und den Friedhof, auf dem er das Grab der ersten Frau des Vaters, aber nicht mehr das des Vaters und der Mutter entdeckte. Was er vorfand, war die bekannte „Fahrländer Chronik“, eine Art Tagebuch des Pastors Moritz von 1774 bis 1794, in dem dieser das damalige Alltagsleben auf dem Dorf festhielt – auch der Vorgänger Bernhard Daniel Schmidt kam nicht zu kurz – und das heute noch im Pfarrarchiv aufbewahrt wird.
Und Schmidt von Werneuchen heute? Für einen Dichter, der 250 Jahre alt ist und in der Wahl seiner Stoffe und Mittel doch relativ beschränkt blieb, ist er erstaunlich präsent. 1981 gab Günter de Bruyn innerhalb der Reihe „Märkischer Dichtergarten“ unter dem Titel „Einfalt und Natur“ eine repräsentative Auswahl Schmidtscher Werke heraus, und sein gepflegtes Grab neben der Kirche und die Gedenktafel am Pfarrhaus – ein Neubau an alter Stelle von 1930 – sprechen davon, dass sein Andenken in Werneuchen gepflegt wird. Im Juni soll dort eine Ausstellung über Leben und Werk eröffnet werden, die danach auch in Fahrland zu sehen ist.
Auch Goethe hat sich später noch einmal geäußert. In seinen postum erschienenen „Maximen und Reflexionen“ nahmt er zwar seine Kritik an Schmidt nicht zurück, fügte aber hinzu: „Man hätte sich über ihn nicht lustig machen können, wenn er nicht als Poet wirkliches Verdienst hätte, das wir an ihm zu ehren haben.“
Roland Lampe
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