Kultur: Der ewige Geheimtipp Patrick Richardt und Band im Waschhaus
Es war ein Abend der Überraschungen. Die erste war, dass er nicht ausfiel.
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Es war ein Abend der Überraschungen. Die erste war, dass er nicht ausfiel. Denn zum Konzertbeginn im Waschhaus hatten sich gerade mal ein halbes Dutzend zahlende Gäste versammelt. Doch weil Patrick Richardt Mittwochabend mit Vorband angetreten war, füllten die Musiker, die gerade nicht spielten, jeweils den Freiraum vor der Bühne aus. Die zweite Überraschung: Der Singer-Songwriter kam mit Band. Fünf gut beschäftigte Leute statt Gitarre und Piano solo. Der Mittzwanziger aus Krefeld ist jetzt mit seinem ersten Soloalbum „So, wie nach Kriegen“ unterwegs, nachdem eine Eroberung des Publikums mit seiner alten Band Oh Napoleon nicht geglückt war. Mancherorts wird er als Geheimtipp gehandelt – und gut möglich, dass er das bleiben wird.
Agenturen und Rezensenten nennen Richardt gern in einem Satz mit Sven Regener von Element of Crime und Rio Reiser. Und tatsächlich hat er stimmlich Potenzial, an diese großartigen Sänger heranzureichen. Sein Pech ist es, dass Sven Regener noch lebt und der 1996 verstorbene Rio Reiser für seine Fans zum Heiligtum geworden ist. Darf man Rio Reiser kopieren? Patrick Richardt kann sich vor allem nicht entscheiden, ob er das wirklich will – oder doch etwas Eigenes produzieren möchte. Dabei entstehen Songs, die man ihm am liebsten verbieten möchte. „Doch jetzt ist es vorbei-ei-eiund die Nacht bricht ein“ Glück gehabt, dass die Gäste im Waschhaus scheinbar zu jung waren, sich an Rio Reisers vielleicht schönstes Liebeslied „Junimond“ zu erinnern, dass hier auf der Schlachtbank lag. Wenn er doch entweder komplett den Reiser machen würde – für die, die es brauchen – oder was Eigenes!
Das hat er versucht mit seinem Album, bedeutungsschwanger sind die Texte, voller Weltschmerz einer Generation, der man das nur schwer abnimmt. Sie trinken Flaschenbier, hauen basisdemokratisch in die Instrumente, sodass man am Ende nicht weiß, welcher Song gerade dran ist, es sind die immer gleichen Akkorde auf Keyboard und Gitarre. Über allem schwebt Richardts rauchige, gequälte Stimme. Er singt mit Betonungswellen, presst die Wörter heraus. Da hilft auch kein ausgefallener Titel wie „Adé Adé“, es ist Schlagerlyrik, alles schon mal gehört.
Dabei hatte der Abend zumindest ganz lustig angefangen. Die Band Torpus and the Art Directors (für den Namen sollte es Punktabzug geben) hatte zumindest Humor gezeigt. Die sechs Hamburger klangen zwar zeitweise nach einem Shanty-Chor auf Rock ’n’Roll, waren aber ganz entspannt bei der Sache, auch wenn das Sammelsurium an Instrumenten – eine Musikhausaustattung – irgendwann den Verdacht aufkommen ließ, hier würde mit Quantität etwas wettgemacht. Mancher Song wollte gleich gar nicht enden, noch ein Schnörkel, noch ein Loop, noch ein theatralischer Abgesang.
Das Publikum hatte sich irgendwann verdoppelt, auch wenn der Abend etwas langatmig wurde. Die jungen Leute auf der Bühne konnten die Welt auch nicht retten – vielleicht waren ihnen die Sturmfrisuren im Wege, sämtliche Gitarristen trugen Linksscheitel und Rechtslocke, die man mit rechts gut aus dem Gesicht streichen kann. Auch das eine Überraschung: Patrick Richardt war beim Friseur gewesen, alles ist kurz. Mal sehen, ob er, was die Haare betrifft, zum Trendsetter wird. Steffi Pyanoe
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