Kultur: Der gewisse Filmblick
Im Filmmuseum: Katrin Saß und Michael Klier in der zweiten Studio-Babelsberg-Filmnacht
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Im Filmmuseum: Katrin Saß und Michael Klier in der zweiten Studio-Babelsberg-Filmnacht Von Matthias Hassenpflug Ihre Offenheit ist entwaffnend, auch wenn keine Kamera läuft. „Du willst den Trick wissen?“, fragte Katrin Saß den Moderator Knut Elstermann, noch bevor sie richtig Platz genommen hatte zum Filmgespräch anlässlich der zweiten Filmnacht im Filmmuseum, der eigentlich dieser vielleicht besten deutschen Schauspielerin nur ein Kompliment für ihr jugendliches Aussehen machen wollte. „Anständig trinken, damit aufhören und ein neues Leben anfangen.“ Das neue Leben wird markiert durch ihre Rolle in „Heidi M.“, für die sie der Regisseur Michael Klier (Farland) im Jahr 2001 wiederentdeckt hat. Über die zehn Jahre davor, in denen sie keine Filme für die große Leinwand drehte, hat Katrin Saß, vielen bekannt als die Mutter in „Good, bye, Lenin!“, ein Buch geschrieben mit dem Titel: Das Glück wird niemals alt. Die Rolle in Heidi M. bezeichnet Saß als Dank und Geschenk dafür, dass die Alkoholphase und Krisenpause beendet wurde. Michael Klier muß hier der Bescheidenheit widersprechen. So wie Heiner Carow, der Macher des bekanntesten Defa-Films der DDR „Die Legende von Paul und Paula“ die erst einundzwanzig Jährige aus 40 bis 60 Schauspielerinnen für ihre erste Rolle in „Bis das der Tod euch scheidet“ sicher auswählte, so logisch war Klier, dass nur Saß für die Heidi M. infrage kam. Klier schwärmt zu Recht von ihrer Leinwandpräsenz, und ihrem „Filmblick“: „Wenn die Kamera an ist, beginnt etwas zu leben“. Sie bewege sich auf französische Art – wie in der Nouvelle Vogue. Die Geschichte des Films Heidi M. ist einfach. Heidi ist geschieden von Winnie, ihrer großen Liebe, und betreibt einen Tante-Emma-Laden. Sie ist einsam. Dann trifft sie auf Franz (Dominique Horwitz), aber mit Vierzig gelingt es ihr nicht romantisch zu lieben, sie steht sich selbst im Weg. Katrin Saß“ Spiel vereint zugleich Härte und Lebensabgeklärtheit mit unglaublicher Verletzlichkeit. So ist Heidi M. zerrissen, denn im selben Moment weiß sie genau, was sie will und überhaupt nichts. Liebt sie noch Winnie? Erst, als dieser viel zu spät seine neue Frau verlässt, weiß sie: nein. Warum traut sie Franz“ Liebe nicht? Katrin Saß“ Schauspiel vermag es, diese Fragen in all ihrer Widersprüchlichkeit nonverbal zu diskutieren. Aus ihrem Gesicht formt der Schmerz alle seine Facetten. Für diese Leistung erhielt sie den Deutschen Filmpreis. Ihr neues Leben, sagt Katrin Saß, nehme sie nicht mehr so ernst, bei Talkshows sitze sie heute gelöst. So wie bei Beckmann: „Ich wollte über ,Good, bye, Lenin!“ sprechen. Er über Alkohol. Da hätte ich gehen wollen." Sie ist geblieben. „Good bye, Lenin!“ hat Katrin Saß bei nun sieben Millionen Zuschauern richtig bekannt gemacht. Den Erfolg hat sie nicht erwartet. „Du hast vielleicht wieder Glück oder bekommst wieder etwas geschenkt“, hat sie vorher gedacht. Der Erfolg des Films im Ausland ist für sie unerklärlich: „Ich habe mich gefragt, was fängt der Italiener mit der Spreewaldgurke an?“ Michael Klier war es, der eine Begründung für den Erfolg lieferte. Die Rollen, die Katrin Saß spielt, sind zwar in ihre Zeit eingebunden, doch ihre Ausstrahlung wirkt universell. „Heidi M.“, sagt der Regisseur, sei bei Frauen Anfang Zwanzig in ihrer Haltung ein Zeichen und Vorbild. Es sind starke Frauenfiguren, die jedoch gebrochen und ein auch ein wenig kaputt seien. Mit der Auswahl der Filme, Gäste und der Umrahmung mit kleinem Buffet und Loungemusik in den Pausen hat das Filmmuseum wieder alles richtig gemacht und wurde von rund 50 Filminteressierten darin bestätigt, diesen Weg weiter zu gehen. Selten hat man die Gelegenheit, große Schauspieler so persönlich plaudern zu hören. Knut Elstermann versteht es, charmant auch knifflige Fragen zu stellen: ein Gerücht besagte, Katrin Saß hätte sich bei der Sexszene doubeln lassen? Stimmt nicht!
Matthias Hassenpflug
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