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Kultur: Der Illusionist braucht keine Puppen

Peter Waschinsky zur Kabarett-Woche im Potsdamer Obelisk

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Ein klein wenig Wehmut hat Platz genommen im Kabarett Obelisk. Für sie ist genug davon da, denn mehr als die Busladung einer versprengten Gruppenreise aus dem Norddeutschen ist nicht gekommen, die DDR-Puppenspielerlegende Peter Waschinsky bei ihrem Gastauftritt zur Kabarettwoche zu sehen. Waschinsky hat sich seit über 30 Jahren für das Puppentheater stark gemacht. Wohl gemerkt – und vielleicht für westliches Theaterverständnis fremd – , für das vor erwachsenem Publikum. In der DDR galten seine Auftritte als subversiv und waren daher bei Unangepassten gefragt. Heute, nach einem Auftritt in der Muppets-Show in den 80ern, der Gründung der Puppenbühne Neubrandenburg und der Beerdigung des Hackeschen Hoftheaters in Berlin, ist dieser Hauch von Wehmut fester Bestandteil seiner Show.

„Und nun etwas ganz anderes“ heißt das Leitthema, das Waschinsky zusammen mit der Geigerin Claudia Koch und dem Gitarristen Hardy Reich verfolgt. Ein roter Vorhang verbreitet Kleinkunstatmosphäre. Politisches Kabarett, so der Meister mit der kleinen Wohlstandsplauze, die in engen Röhrenhosen steckt, werde nicht geboten. Eher „Tingeltangel von heute im Stil von gestern.“ Eine sich abwechselnde Nummernrevue aus Waschinskys minimalistischem Agieren und jiddischen Liedern der Musiker.

Man weiß, dass mit dem Alter auch eine gewisse Reduktion der Formen einhergeht. Im Puppenspiel bedeutet die Extremform des Minimierens das Spiel mit den nackten Händen. Waschinskys geschmeidige Finger sind Liza Minelli oder die Marlene, und mit der Kraft eines Illusionisten, der schon viel gesehen hat, werden die Knöchel zu wogenden Brüsten, und die Fingerkuppen, die auf dem Oberschenkel tänzeln, zu grazilen Schühchen. Dazu ein Falcettgesang des Bärtigen, den man eigentlich nicht ernst nehmen kann, der aber in seiner behaupteten Ernsthaftigkeit genug Spott in sich trägt. Vielleicht liegt der Charme dieser Veranstaltung gerade in der stets mitschwingenden Nasführung des Publikums.

Von einer Wassertierschau ist zu Anfang die Rede, deren Tiere noch nicht eingetroffen wären. Dann wird das Publikum von Waschinsky nach draußen in den Garten gebeten, wo er zwei an einem Ende zugenähten Seidenschläuche an Stöcken durch die kühle Nachtluft tanzen lässt. Wohl kaum einer, der hier Delphine oder Haie sieht, wohl kaum einer, der hier eine höhere Akrobatik wahrnehmen kann. Doch die braven Theaterbesucher machen mit, und einer lässt sich sogar den Stofffisch über den Kopf stülpen.

Waschinsky, der auch als Dozent in Deutschland und in Frankreich lehrt, zeigt sich als jemand, der die Illusion nutzt um sein Können bewusst klein und nichtig aussehen zu lassen. Eine Art Buddha-Weisheit mag dahinter stecken.

Mit den Jahren ist wohl der Bedarf an selbst verfassten Texten und Liedern gestiegen, und so hat Peter Waschinsky auch diese in sein Programm genommen. Sein Rap-Lied über einen grimmigen Mikrophonakrobaten, dem leider der Strom ausgeht, ist voll vertrackter Reime und schwierigster Rhythmusvariationen, die der Puppenspieler rasant mit präzisem Klackern synchron mitsteppt. Aus einem modernen Rapper wird durch Fußfertigkeit ein Stepper wie Fred Astair.

Diese Rückführung ins Einfache, Untechnische, im reinen Wortsinne Hand-Habbare – und dennoch oft genug Vertrackte – ist genau das, was den Reiz von Peter Waschinskys Illusionskunst ausmacht. Was wir auf der Bühne sehen, ist fast nichts mehr, aber was wir uns dabei vorstellen, kann ganz viel sein.

Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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