Kultur: Der Irrweg von Erich Heckels „Barbierstube“
Der Potsdamer Kunsthändler Ferdinand Möller rettete zahlreiche Werke der „Entarteten Kunst“
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Am 19. Juli 1937 wurde in München die Ausstellung „Entartete Kunst“ eröffnet. Damit sollten die Werke moderner Maler wie Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, George Grosz oder Paul Klee als „kranke, jüdisch-bolschewistische Kunst“ diffamiert werden. Ihre Schöpfer wurden in die Nähe von Geisteskranken gerückt. Sieben Jahrzehnte nach der Eröffnung der Ausstellung erinnerte der Kunsthistoriker und Vorsitzende des Potsdamer Kunstvereins, Andreas Hüneke, im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte an diesen Akt nationalsozialistischer Kulturbarbarei, dem die Vernichtung von mehr als 10 000 Werken vor allem des Expressionismus folgte. Gemälde und Zeichnungen, von denen sich die Nazis einen Devisen bringenden Verkauf ins Ausland versprachen, wurden dagegen im Schloss Schönhausen deponiert und dann über ausgesuchte Kunsthändler international angeboten.
Andreas Hüneke, der mit Christoph Zuschlag an der Freien Universität Berlin eine Arbeitsstelle zur Erforschung der „entarteten Kunst“ leitet, stellte in seinem Vortrag auch Bezüge zu Potsdam her. Bereits 1921 waren im „Potsdamer Kunstsommer“ in der Orangerie in einer deutschlandweit beachteten Ausstellung u. a. Werke von Nolde, Franz Marc, Max Liebermann, Lovis Corinth, Ernst Barlach gezeigt worden. Damals wohnte in der Wollner-Straße (heute Otto-Nagel-Straße) bereits der Kunsthändler Ferdinand Möller (1882 - 1956), der 1924 dann auch seine Galerie von Berlin nach Potsdam verlegte.
Möller trug nach 1937 entscheidend zur Rettung und Bewahrung zahlreicher Werke der von den Nationalsozialisten verfemten Kunst bei. Noch in jenem Jahr vermittelte er Oskar Schlemmer den Auftrag für das erhaltene Wandbild im Bornimer Haus von Hermann Mattern, das in der Symbolisierung der Einheit von Körper, Geist und Seele einen Gegenentwurf zur NS-Ideologie darstellt. Der angestrebte Verkauf „entarteter Kunst“ ins Ausland gestaltete sich schwierig. So hatten sich bei Ferdinand Möller, der während des Krieges in sein Landhaus am Zermützelsee übergesiedelt war, zahlreiche Gemälde erhalten. Mit ihnen gestaltete er bereits 1946 in Neuruppin eine erste Nachkriegsausstellung. Daran soll in der Stadt in diesem Jahr erinnert werden. Ferdinand Möller ging nach Westdeutschland, als in der stalinistischen Ära der DDR der „sozialistische Realismus“ in der Malerei zu dominieren begann. Daraufhin zog der Staat sein Vermögen ein. Erst 1990 gelang es den Nachfahren des Potsdamer Kunsthändlers, vor Gericht das Eigentum auch an den Gemälden zurückzuerstreiten. 1995 gründeten sie die Ferdinand-Möller-Stiftung, die seitdem die Forschungen zur „entarteten Kunst“ fördert.
Am Beispiel des Gemäldes „Barbierstube“ (oder „Beim Barbier“) von Erich Heckel verdeutlichte Andreas Hüneke, welche Irrfahrten Werke der modernen Kunst hinter sich bringen mussten. Das Bild war bereits 1921 beim Potsdamer Kunstsommer gezeigt worden. 16 Jahre später wurde es in die Ausstellung „Entartete Kunst“ einbezogen. Es gelangte in Möllers Besitz, der es an das Hallenser Kunstmuseum gab. Nach der Rückübertragung an die Familie überließ es diese als großzügiges Geschenk dem Museum.
Eine Zuhörerfrage nach dem im Landhaus Langhansstraße 13 am Neuen Garten wohnenden Maler Hans Herbert Schweitzer ergab, dass Potsdam auch bei den Fahndern vertreten war, die in den Museen die Werke „entarteter Kunst“ beschlagnahmten, vernichten oder in Schönhausen deponieren ließen. Der eher mittelmäßige Pressezeichner, der seit 1926 unter dem Pseudonym „Mjölnir“ (Hammer des germanischen Donnergottes Thor) Karikaturen für Nazizeitungen lieferte, war dank der Protektion durch Propagandaminister Goebbels zum „Reichsbeauftragten für künstlerische Formgebung“ aufgestiegen.
Sicher habe er, wenngleich dies nicht vollständig erforscht sei, in dieser Funktion vor allem in der für die „Verwertung“ der Kunstwerke gebildeten Kommission eine wichtige Rolle gespielt, erklärte Andreas Hüneke. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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