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Kultur: Der König ist müde

Edith und Rolf-Dieter Siedersleben zeigen ihre Arbeiten in der Galerie Am Neuen Palais

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Edith und Rolf-Dieter Siedersleben zeigen ihre Arbeiten in der Galerie Am Neuen Palais In sich zusammengesunken sitzt der Greis auf der Blechtrommel. Ein alt gewordener Oscar, der noch den Trommelstock in der Hand hält, aber kaum mehr die Kraft zu haben scheint, um den Takt zu schlagen. Eine zur Seite gerollte Papierkrone verweist ironisch auf die eingeübte Herrschergeste, die obsolet geworden ist. Der König ist müde. Sein blasses Aussehen und die Helligkeit seiner Kleidung lassen ihn mit dem Hintergrund verschmelzen. Bald wird er ganz verschwunden sein. Rolf-Dieter Siederleben nennt seinen Oscar Lear und verweist damit auf einen anderen Helden der abendländischen Literaturgeschichte. Siedersleben sieht den König Lear allegorisch als einen Vater, der mit seinem eingeübten Sozialverhalten kein Echo mehr erzeugt und von den Töchtern missverstanden und am Ende verlassen ist. Persönliche Erfahrungen, Einsichten und Beobachtungen seien nicht nur für dieses Bild ausschlaggebend gewesen, betont der 67-jährige Maler im Gespräch. Alles was den Menschen beträfe interessiere ihn, er sei eben unbändig neugierig. Die Krone als Bildmotiv taucht auf elf der 44 Bilder auf, die der Berliner Maler in der Galerie am Neuen Palais zeigt. Das kleinformatige „Grabbscher“ zeigt einen Muskel bepackten Kerl, der gierig die ihm gereichte Krone zu fassen versucht. Mit dem Herrschersymbol verwachsen scheint die Figur des großformatigen Triptychons „Homo politicus“. Aus der monochromen grauen Fläche zeichnet eine ockerfarben unterlegte schwarze Linie eine kauernde nackte männliche Gestalt nach, helles Grau lässt Muskeln und Knochen plastisch hervortreten. Auch dieser König ist allein mit sich und wirkt müde. Ob er je aus seiner grübelnden Versunkenheit wieder aufstehen wird, bleibt ungewiss. Noch wirkt er stark, doch zeichnen Zweifel sein Gesicht und seine Haltung. Drei, das Triptychon variierende Linolschnitte, tragen die Namen alttestamentarischer Könige. Mit der dreiteiligen Serie Camouflage, die einen modernen Politiker in arroganter Haltung zeigt, der wie ein ernst genommenes Karnevalsrelikt die Papierkrone trägt, universalisiert Siedersleben seine Aussage, Politiker seien in ihrer Seele Monarchen. Überwiegend wählt der Maler die ironische Geste, mal als hintergründige visuelle Metapher, mal als plakative Karikatur. Die Vielfalt der Themen macht die Ausstellung reich, zumal neben Rolf-Dieter Siederslebens Arbeiten in einer ebenso großen Zahl aktuelle Werke von Edith Siederleben gezeigt werden. Beide Künstler sind Autodidakten. Das seit 43 Jahren verheiratete Paar, teile sich zwar ein Atelier, beeinflusse sich inhaltlich aber wenig, betont Rolf-Dieter Siederleben. Zu verschieden seien die emotionalen Welten von Männern und Frauen. Oft stehe er vor Bildern seiner Frau und suche nach dem Schluss. Tatsächlich bevorzugt die Malerin, anders als ihr Mann, die Frau als immer wiederkehrendes Bildmotiv. Die immer unbekleideten weiblichen Körper reduzieren sich zu einem Symbol, das ein allegorisches Sprechen über Weiblichkeit vielleicht evozieren will, jedoch dafür auf den meisten Bildern zu wenig raffiniert wirkt. Die Stilleben und Landschaftsbilder hingegen sind atmosphärisch stimmig. Besonders die Arbeiten, in denen sich die Malerin auf nur ein Motiv, wie windzerzaustes Strandgras oder die Wipfel von Zypressen konzentriert, überzeugen in ihrer Klarheit. Als zentrales Werk der Künstlerin bildet „Lebensläufe“ den Auftakt der Ausstellung. Wie ihr Mann in „Befindlichkeiten des Herrn Lear“ thematisiert Edith Siederleben darin die Familie, die schemenhaft als Bild im Bild zu sehen ist. Unter dem Porträt der glücklichen Familie warten ein Teddy und ein Malutensil darauf, gebraucht zu werden. Lene Zade Galerie am Neuen Palais, Mi-Fr 14 bis 18 Uhr, am Wochenende 13 - 18 Uhr.

Lene Zade

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