Von Heidi Jäger: Der Körper wird zum Gesicht
Signe Holtsmark und Sabine Zahn eröffnen heute mit ihrer MaskenPerformance „a*part“ im T-Werk die neue Spielzeit
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Die Masken sind wie Zauberwesen. Eben noch quietsch-fidele junge Frauen verwandeln sie im Nu in einen alten selbstverlorenen Mann und seine herrisch auftrumpfende Gattin. Die Masken heißen Siegfried und Gunda und bestehen aus Pappmaché und Sägemehl-Paste. Doch im richtigen Licht und mit der entsprechenden Körperbewegung wird aus den toten Objekten ein ganzes Füllhorn mit Charakteren.
Es sind insgesamt sechs Masken, denen Signe Holtsmark und Sabine Zahn Leben einhauchen und in ein Labyrinth imaginärer Geschichten verstricken. Ihre Körper werden dabei zu „Gesichtern“, mit ganz minimalen, klaren Bewegungen spüren sie in jeder Pore ihrer Haut der Wandelbarkeit der Welt nach.
Es gibt in ihrer Performance „a*part“, die heute zum Spielzeitauftakt im T-Werk Premiere hat, keinen klaren Handlungsstrang. Nur die Butterbrot-Tüte, die Gunda ihrem Siegfried für die Arbeit füllt, liegt den fragmentarischen Geschichten als verbindende Linie unter. Ansonsten soll der Zuschauer die losen Handlungsfäden selbst verknüpfen und in seiner Fantasie verweben.
Was macht den Menschen aus? Was hält ihn zusammen? Das sind Fragen, denen die beiden Frauen doppelköpfig nachspüren. In ihrem Maskenspiel ließen sie sich von dem surrealen Maler René Margritte ebenso inspirieren wie von dem Filmemacher David Lynch. Denn die uralte Kunst des Maskenspiels kreuzen sie mit zeitgenössischer Theatersprache: und dazu gehören auchVideo und Ton, wobei das Wort außen vor bleibt. Erzählt wird nur auf sinnliche Weise.
Es war ein langer Weg, bis die beiden Frauen das Maskenspiel als „ihre“ Kunst erkannten. Dem Theater waren sie indes schon als Teenager verfallen. Für Signe war es wohl eine der wenigen verlässlichen Größen, die sie auf der Waldorffschule lieben lernte. Ansonsten ging es in ihrer Familie eher unstet zu. „Mein Vater war professioneller Hippie und ist es noch heute . Wir sind nie richtig sesshaft geworden. Ich glaube, ich wohne jetzt in meinem 44. Haus“, sagt sie mit heiterem Lächeln und wünscht sich alsbald das letzte Haus 45 mit Katze dazu. Eine Zeitlang lebte Signe in einem anthroposophischen Dorf mit behinderten Menschen. Dort lernte ich viele Schweizer und Deutsche kennen und vor allem Sozialarbeit. Wir saßen immer mit 15 Leuten am Tisch.“
Nach dem Abitur machte sie sich allein auf den Weg: bis nach Südamerika. Sie lernte Tango tanzen, fühlte sich dann aber doch verloren. Als sie nach Norwegen zurück kam, war ihr Zuhause verwaist. Sie zog in ein besetztes Haus nach Oslo, ging dann auf eine Tanzschule nach Kopenhagen. Irgendwann hörte sie von der Scuolo Teatro Dimitri, einer Schule für Körpertheater und Theatrale Kreation im Tessin. Dort traf sie Sabine Zahn. Obwohl man sich an dieser dörflichen Alma Mater nicht aus dem Wege gehen konnte, fanden die beiden erst am Ende ihrer Ausbildung 2005 zusammen. Über die Masken, die von ihrem sehr alten Lehrer entwickelt worden waren. Mit ihnen erarbeiteten die beiden bei allen Verunsicherungen ganz allein ein Stück. „Wir wollten unsere eigene Sprache finden.“
Sabine Zahn, die in einem Dorf bei Dresden aufgewachsen ist, hatte schon mit 13 beschlossen, Schauspielerin zu werden und begann sofort bei einer alten Lehrerin Unterricht zu nehmen. Sie spielte Theater, überall, wo es sich ergab, in Dresden, und schließlich auch in Schottland, wo sie zwischendurch zur Schule ging. Doch als sie sich nach dem Abi an diversen Schauspielschulen bewarb, kam eine Absage nach der anderen. „Ich war total verunsichert.“ Also ließ sie Theater Theater sein und reiste erst mal herum. In Leipzig studierte sie schließlich Journalismus und Theaterwissenschaft, weil sie dachte, da bekomme sie ähnliche Einblicke ins Leben anderer Menschen wie im Theater. Nach zwei Jahren war sie der Theorie überdrüssig und landete bei der Körpertheatergruppe Grotest Maru. Sie bereiste ganz Europa und „malte“ auf Stelzen expressive Bilder. „Viele Türen öffneten sich, doch mir wurde klar, dass mir wichtige Handwerksmittel fehlen.“ Die Dimitri-Schule, Europas kleinste Universität mit 30 Studenten, schuf Abhilfe.
Nach der erfolgreichen Maskenspiel-Premiere mit Signe ging wieder jeder seine eigenen Wege: Sabine erst nach Brasilien, dann nach Potsdam, um an der fabrik zu unterrichten. Signe zog es nach Norwegen zurück. Doch die Verbindung riss nicht ab: Und Dank des norwegischen Art Consuls können die Zwei nun ihr neues Projekt zur Premiere bringen. Mit 25 000 Euro fördert Norwegen „a*part“: „Obwohl die Proben und Premiere hier in Potsdam stattfinden. Von Potsdam gabs indes keinen Euro“, so Sabine Zahn. In Norwegen wäre der Lebensunterhalt zu teuer gewesen, um dort zu proben. „Man muss Überlebensstrategien entwickeln, um in Europa existieren zu können.“ Natürlich werden die Tänzerinnen mit zahlreichen Auftritten den Norwegern für die Unterstützung danken.
Doch heute setzen sie erst einmal vor Potsdamer Premierenpublikum ihre Masken auf: „schwer atmend, denn die Pappmaché-Gesichter sind undurchdringlich.“ Für das Publikum sollen sie indes sehr lebendig werden. Wenn alles gut geht und die Verzauberung gelingt.
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