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Schonungslose Kritik an der Tötungsmaschinerie. Jonathan Meeses verstörende Skulptur einer Hinrichtung im Garten der Villa Schöningen.

©  Andreas Klaer

Von Almut Andreae: Der Krieg im Garten

Mit einem Skulpturengarten eröffnet die Villa Schöningen die Sommersaison

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Jonathan Meese geht besonders schonungslos zu Gericht mit der Tötungsmaschinerie Krieg. Drastisch seine Darstellung einer Exekution sowie einer Reihe fratzenhaft-skurrile Büsten von Generälen. In Thomas Schüttes formierender Skulpturengruppe vollführen vier riesenhafte „Geister“, die optisch etwas von überdimensionalen Michelin-Männchen haben, unter hohen Bäumen einen dämonisch-unheilvollen Tanz. Auch wenn keine der von den insgesamt 13 Künstlerinnen und Künstlern in den Garten der Villa Schöningen hinein gestellten Arbeiten eigens für diese Örtlichkeit entstand, reflektieren viele von ihnen sehr konkret Tod und militärische Gewalt.

Ab jetzt sei es an der Kunst und an der Öffentlichkeit, die Örtlichkeit in Besitz zu nehmen, hob Max Hollein, Direktor des Frankfurter Städelmuseums, in seiner Eröffnungsansprache des neuen Skulpturengartens am Samstagmorgen vor geladenen Gästen hervor. In Kooperation mit vier Berliner Galeristen hat er innerhalb von drei Monaten die jetzige Auswahl an Skulpturen internationaler namhafter Künstler zusammengestellt. Leihgaben von den 13 Künstlerinnen und Künstlern – unter ihnen Jonathan Meese, Anselm Reyle und Chris Ofili – sind im Rahmen der vorläufigen Ausstellung im Skulpturengarten der Villa Schöningen zu sehen. Das vor gut einem halben Jahr eröffnete Museum zur deutschen Teilung erweiterte damit seine Präsentation aktueller Kunst in den oberen Ausstellungsräumen um Skulpturen im Außenraum.

Die zunächst mit einer Laufzeit bis Oktober vorgesehene Schau fühlt sich keinem stringenten Konzept verpflichtet. Hollein, der sich auch künftig der immer wieder neu zu variierenden Bestückung des Skulpturengartens annehmen wird, vertraut auf den Dialog mit der zeitgenössischen Kunst an diesem geschichtsträchtigen Ort unweit der Glienicker Brücke. Die Skulpturen scheinen auf den Kontext zu reagieren, Möglichkeiten einer Wechselbeziehung – auch für künftige Präsentationen – zwischen Kunst und ihrem Umfeld tun sich auf. Beobachten lässt sich das in der aktuellen Skulpturenausstellung bereits in vielfältiger Weise.

Neben den Kunstwerken, die sich mit den Gräueln des Krieges auseinandersetzen, trifft man beim Flanieren durch den Garten aber auf solche, wo die Gewalt bereits überwunden, ja zum Teil schon verharmlost ist. Mit subversivem Humor hat der Berliner Künstler Uwe Henneken aus Fundstücken drei Kanonen zusammengesetzt und in grellen Farben aufmüpfig bemalt. Vegetation und allerlei Getier konterkarieren den kriegerischen Wahnsinn. Anspielungsreich auch die Arbeit „Parkdose“ von Manfred Pernice, bei der sich die verkleinerte Anmutung eines Bunkers mit der Banalität eines Kassenhäuschens verquickt. Der in Kopenhagen lebende Allroundkünstler Tal R. hat aus den banalen Attributen unserer Wohlstands- und Wegwerfgesellschaft bizarre Materialassemblagen geschaffen und in Bronze gegossen. Fast bis zur Unkenntlichkeit zusammengepresst ist in diesen Arbeiten der Unrat unserer westlichen Zivilisation, unter den sich symbolische Anspielungen auf Kreatürliches mischen.

Schelmisch bietet die Bronzearbeit „Blue Moon“ des in Trinidad lebenden Künstlers Chris Ofili Angriffsfläche für Assoziationen gleich in mehrerlei Richtungen. Die eigentliche Provokation dieser mit Turban und langem Spitzbart ausgestatteten Figur offenbart sich erst angesichts ihrer Rückseite. Die Hose runtergelassen, gerät das entblößte Hinterteil nicht allein in den Fokus der sich in Augenhöhe des Anus aufgerichteten goldenen Schlange. Auch für die am Wasser vorbeidefilierenden Spaziergänger gerät dieses pikante Detail am Rande des Skulpturengartens zum unerwarteten Blickfang.

Im Skulpturengarten der Villa Schöningen trifft Ernstes und Bedrohliches einerseits auf Humoriges, andererseits auf Positionen, die sich formal ausschließlich auf der abstrakten Ebene bewegen (Thomas Kiesewetter, Maix Mayer). Ein Wischmopp aus Bronze („Reset“) der Künstlerin Stella Hamberg lehnt wie beiläufig an der Hauswand auf der Terrasse. „Reset“ verstanden als Symbol – auch für die Betreiber des Museums – für den gewollten Neustart an dieser schicksalhaften Nahtstelle zwischen Potsdam und Berlin. Gemeint im Sinne der beiden Hausherren Mathias Döpfner und Leonhard Fischer, die errungene Freiheit des Ortes auch über das Kunsterlebnis erfahrbar zu machen.

Damit öffnet sich der erste Skulpturengarten Potsdams als Reflexionsraum über gemeinsam erlebte Geschichte. Gleichzeitig wird er zum willkommenen Erlebnisraum ästhetischer Erfahrung. Und stößt in Potsdam neue Türen auf für die zeitgenössische Kunst.

Geöffnet donnerstags und freitags, 11-18 Uhr, samstags und sonntags, 10-18 Uhr. Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro

Almut Andreae

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