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Kultur: Der Mann mit den vielen Gesichtern

Wie Thomas Hauck im Schloss Sacrow mit einem Märchen unterhält

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Wie Thomas Hauck im Schloss Sacrow mit einem Märchen unterhält Was sind schon 1000 Jahre. Der Sprung von der Gruftifrau zur jungen sexy Verführerin mit langem schwarzem Haar fällt Thomas Hauck nicht schwer. Der gebeugte Rücken der Teufel-Oma streckt sich, die Augenbrauen schießen verführerisch nach oben, die Stimme verschwimmt zum erotischen Säuseln. Der Schauspieler versteht es, der Figur in seiner Geschichte ein interessantes Gesicht zu geben. Insgesamt 25 Mitspieler. Sie alle spiegeln sich in ihm wider. Seine bunte wie einfühlsame, nie übertriebene Körpersprache lässt den 47-jährigen Künstler mit den dunklen Haaren, dem rotem Jackett und Turnschuhen hinter den Figuren vergessen. Die kleinen Zuschauer müssen sich an seinen schweizerischen Akzent gewöhnen und an die am Anfang etwas nuschelige Sprache. Dann aber starren sie mit offenem Mund auf den Erzähler. Auch die großen zieht er schnell in seinen Bann. Ein Märchen der Gebrüder Grimm stand am Donnerstag im Schloss Sacrow auf dem Programm: „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“. Man könnte denken, in dem lichten Raum mit dem von den Wänden blätternden Putz und dem Sacrower See vor der Tür würde „nur“ eine fantastische Kindergeschichte erzählt. Die Story von einem schönen und schlauen Bauernknecht, der mit „Glückshaut“ geboren und in schnellen Schritten zum König wird, dabei eine Räuberbande, einen Riesen, den Nebenbuhler-Prinzen, sogar den Teufel und zuletzt den goldgierigen Vater der geliebten Prinzessin überlistet. Doch Thomas Hauck, der freie Künstler, Regisseur und Buchautor, der auch am Staatstheater Gießen spielte, macht mehr aus dem Märchen. Er ist nicht nur Nacherzähler auf der kleinen Bühne, einem schlichten Holzquadrat auf vier Beinen. Er stellt eine eigene Geschichte dar. Mit sehr eigenen Personen, die er so spielt, wie er sie sich vorstellt. Mit ihren netten Seiten, mit ihren Ecken und Kanten werden sie in dem Ein-Mann-Stück zu „ganzen“ Menschen, in die man sich schnell einfühlt. Und über die sich der Erzähler auch lustig macht. Mit einem feinen und vor allem menschenfreundlichen Sinn für Ironie: Ein Teufel, der geborgenheitsbedürftig den Kopf in den Schoß der Großmutter legt, und nachsichtig zuhört, wenn sie ihn immer wieder aus dem Schlaf holt und ihm ihre Träume erzählt. Eine Großmutter wiederum, die den angehenden König nett genug findet, um für ihn den Enkel auszutricksen. Schöne Szenen, in der Thomas Hauck von einer in die nächste Rolle springt. Ohne Bruch von der Großmutter zum Teufel, vom glücklichen Knecht zum geldgierigen König, von der sehnsuchtsvollen Königstochter zum schlappen Prinz von Lothringen, vom frustrierten Fährmann zur herrischen Magd – und zurück zum Erzähler. Ein roter schlichter Sessel und ein Spazierstock, mehr an Requisiten tauchen im Stück nicht auf. Und mehr ist nicht nötig. Der Ofen, an dem die Räuberfrau sitzt und auf ihre Männer wartet, die Truhe, in die sich der todmüde Knecht schnarchend zurückzieht, das Schloss, in dem die Prinzessin auf ihren Gemahl wartet, all das entsteht auch ohne Gegenstände auf der Bühne. Ein spannendes Spiel, das hintergründig unterhält. Marion Hartig Aufführungen: Fr, 18.30 Uhr, So, 16 Uhr.

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