zum Hauptinhalt

Kultur: Der Mensch hinter dem Idol

Der Schauspieler Guntram Brattia inszeniert am HOT „Bedeutende Leute“

Stand:

Der Schauspieler Guntram Brattia inszeniert am HOT „Bedeutende Leute“ Von Heidi Jäger Er spielte den Romeo und Tellheim, den Don Karlos und den Ferdinand. Guntram Brattia ist ein Schauspieler, dessen Name selbst an renommierten Häusern wie das Bayrische Staatsschauspiel oder das Deutsche Theater Berlin immer wieder ganz oben auf der Besetzungsliste stand. Doch geht es ihm nicht darum, nur im Rampenlicht zu glänzen, „selbst wenn man das natürlich auch genießt. Schließlich sind alle Schauspieler eitel. Für mich ist Theater aber mehr als die eigene Rolle. Ich will dort arbeiten, um etwas über die Welt und die Menschen zu erzählen. Es ist für mich der Ort, wo ich am meisten über das Leben erfahre.“ Bei dieser auch politisch motivierten Triebfeder lag es wohl auf der Hand, dass Brattia irgendwann zur Regie stoßen würde. „Für einen Schauspieler ist es oft unbefriedigend, wie eine Inszenierung läuft, dass Dinge, die einem selbst wichtig sind, nicht betrachtet werden. Ich wollte den Prozess Theater anders kennenlernen und beeinflussen, auch die Stoffe selber auswählen können.“ Vor vier Jahren erhielt er – noch unter der Ägide von Thomas Langhoff – am Deutschen Theater erstmals die Chance, zu inszenieren: Horvaths „Ein Kind unserer Zeit“. „Dieses Stück über Arbeitslosigkeit und einen jungen Mann, der in die rechte Kloake hineinrutscht, wollte ich unbedingt auf der Bühne sehen.“ Inzwischen steckt der 38-jährige in den Endproben zu seiner fünften Regie, und auch die sechste – das „Fräulein Julie“ am Schauspiel Frankfurt – nimmt ihn bereits in Beschlag. Aber anders als in der Schauspielerei muss er sich beim Inszenieren noch mit den Stückvorgaben seitens der Theater zufrieden geben. „Ich spüre deutlich die Scheuklappen, wenn man sich zweigleisig bewegt und nicht nur in eine Schublade gesteckt werden will.“ Dennoch lässt sich Guntram Brattia auch als Regisseur keine Arbeiten überhelfen, „sie müssen schon etwas mit mir zu tun haben.“ „Bedeutende Leute“ von Terry Johnson, das er am Freitag in Potsdam zur Premiere bringt, sei der absolute Wunschtitel des neuen Intendanten Uwe Eric Laufenberg gewesen, da es auf das Einstein-Jahr zielt. „Ich kannte das Stück, das vor 15 Jahren seine große Zeit hatte, nur vom Hören-Sagen.“ Doch er vertraute bei seiner Zusage auf Laufenberg, den er schon bei vorangegangenen Arbeiten schätzen lernte. „Bedeutende Leute“ spielt in einem amerikanischen Motel, in dem sich eines Nachts Marilyn Monroe, Albert Einstein, der berüchtigte Senator McCarthy und Amerikas populärster Baseballspieler Joe DiMaggio, Monroes Ehemann, treffen. „Einstein wird als sehr unkonventioneller und intuitiver Mensch charakterisiert, keineswegs als fachtrockener Theoretiker. Die Monroe, die in Einstein die Vaterfigur sieht, erklärt ihm bei dieser fiktiven Begegnung die Relativitätstheorie. Das genialste Gehirn trifft also mit dem begehrtesten Körper der Epoche zusammen.“ Interessant sei für ihn auch die Rolle des Mc Carthy, „der im Hintergrund agierende Verhinderer, der Einstein überwachen ließ und ihn instrumentalisieren wollte. Ein Demagoge und schwerer Alkoholiker, der an seiner Schizophrenie kaputt ging.“ Für Brattia ist „Bedeutende Leute“ ein flott erzähltes Stück, das im weiteren Sinne das Boulevard bedient, aber keineswegs ein Schenkelklopfer sei. „Dann wäre es bei mir auch falsch aufgehoben, wo ich schon keine Witze erzählen kann.“ Guntram Brattia versucht, eine Geschichte auf die Bühne zu bringen, die ihren Tiefsinn bewahrt, über die man aber durchaus auch lachen könne. „Denn das Lächerlichste sind wir doch schließlich selbst in unseren Nöten.“ Der gebürtige Tiroler will versuchen, hinter den Idolen den Menschen in seinen Sehnsüchten und Ängsten zu finden. „Dabei geht es uns nicht um ein Kopieren der Stars, sie sind nur die Idee. Die Figuren müssen gefüllt werden von der Persönlichkeit der Schauspieler.“ Und da stehen ihm Anne Lebinsky, Hans-Jochen Röhrig, Roland Kuchenbuch, Tobias Rott und Murray Small Legs zur Seite. Vier von ihnen sind derzeit parallel in „Die Hermannsschlacht“ zu sehen. Durch diese Doppelbesetzung musste Brattia die Proben für mehrere Wochen unterbrechen. Nicht gerade ein Zuckerschlecken für die Künstler. Doch Brattia vertraute auf das schnelle Wieder-Reinfinden, denn was bei Schauspielern einmal sitzt, das sitzt, so seine Erfahrung. Noch weiß er nicht, wohin seine künstlerische Reise ihn künftig führen wird, ob er auf die schwerer zu stemmende Regie zusteuert oder aber die relativ große Freiheit als Schauspieler genießt. Derzeit befindet sich der Theatermann im Engagement am Schauspiel Frankfurt. „Dort kann ich beide Leidenschaften ausleben: das Spielen und Inszenieren. Das setzt schon einen großen Konsens voraus. Denn schließlich schwitzt man an einem Abend gemeinsam mit seinen Kollegen auf der Bühne und am anderen Abend sagt man ihnen, wo es lang geht. Die Regie ist ein einsamer Beruf.“ Guntram Brattia lässt das Leben auf sich zukommen, sieht sich nicht als großer Planer. So schließt er grundsätzlich auch nur Ein-Jahres-Verträge ab, um sich nicht verbeamtet zu fühlen. „Das Zentrum ist für mich aber nach wie vor Berlin.“ Von dort hat er es auch nicht weit zu seiner kleinen Datsche in Nattwerder – mitten in der Natur, die für ihn sehr wichtig ist. „Inzwischen ist das Wasser für mich genauso reizvoll wie die Berge meiner Heimat. Außerdem gibt es hier einen Menschenschlag, zu dem ich große Sympathie hege.“ Ansonsten sei es ihm egal, wo das Theater stehe, an dem er gerade arbeitet. „Der Prozess findet ja innerhalb des Hauses statt.“ Er würde sich nur wünschen, dass dort noch mehr im politischen Kontext nachgedacht wird, Stücke auf die Bühne kommen, „die über unsere Existenzen reflektieren und hinterfragen, wie wir mit unserem Planeten umgehen. Mir kreist das Theater oft zu sehr um sich selbst. Sie sind aber ein Ort der Reibung. Dafür werden sie subventioniert.“ Premiere: 29. Oktober, 19 Uhr, Reithalle B (T-Werk)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })