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Kultur: Der radelnde Lichtfänger

Olaf Thiede zeigt im Alten Rathaus Arbeiten aus 30 Berufsjahren: als Grafiker und Havellandkolonist

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Manche meinen, „ihre“ Maler bestens zu kennen und sind doch vor Überraschungen nicht gefeilt. So erging es einer Besucherin in der Ausstellung von Olaf Thiede im Alten Rathaus. Als sie gemeinsam mit anderen kunstbeflissenen Fans das Angebot des Landschaftsmalers annahm, an einer persönlichen Führung teilzunehmen, begrüßte sie ihn zugleich mit den Worten: „Sie malen ja immer so düstere Stimmungen.“ Olaf Thiede nahm es gelassen, führte sie stattdessen zu seinen Venedig-Bildern – und die warme Sonne des Südens machte alle Worte wett.

„Licht ist mein eigentliches Thema“, sagt der 50-Jährige inmitten seiner Geburtstagsschau. Dabei wird er nicht müde, immer wieder neuen Licht- und Schattenwürfen auf die Spur zu kommen. Und das nicht nur mit seiner favorisierten Pastellkreide, sondern zunehmend auch in Öl, wovon der Wendtorfgraben sonnengleißend in den schönsten vollmundigen Tönen lebhaft erzählt.

Olaf Thiede erradelt sich seine Motive: Er durchquert entlang verwaister Trampelpfade die Rückseiten der Dörfer, parkt an blühenden Bauerngärten, verwaisten Schuppen, Kiefernwäldchen oder hügeligen Weiden – von der Prignitz bis nach Wiesenburg. Er kennt sein Havelland wie seine Westentasche, wohl kaum ein Kirchturm, von dem er noch nicht die Proportionen maß. Denn das menschliche Maß hat es ihm angetan. Alten Scheunen und Häusern, die von Bauern bedachter und besser gegliedert gebaut wurden als manche von Architektenhand entworfene Neubauten, gehören seine Liebe.

Und so gehen bei ihm Malerei und Bewusstseinsbildung Hand in Hand. Gern erklärt er das wandeinnehmende Ölbild von Potsdam und seiner Geschichte, um zu zeigen: „Diese Stadt hatte mal ein Gesicht.“ Das wird bei ihm ganz sinnfällig, denn tatsächlich schaut man in seiner Mitte in ein koboldartiges, pausbackiges Schloss-Antlitz. Drum herum gibt es Neubau-Sünden, Parkidyllen und die bei ihm ungesprengt gebliebene Garnisonkirche. Und in seinem Engagement für die Initiative „Mitte Schön“ malte er sich gleich ein zweites Bild von der Seele, das gerade erst trocken geworden ist und nicht pünktlich die Ausstellung erreichte: Das Schloss in seiner Entwicklung von der askanischen Burg bis zur Zerstörung. „Ich suche jetzt nach einer Gelegenheit, es zu zeigen, denn die meisten kennen ja nur den Knobelsdorff-Bau. Doch je mehr man weiß, um so besser kann man über Dinge nachdenken und entscheiden“, sagt er, wohl mit festen Adressaten im Kopf. Am liebsten würde er seine gemalte Geschichte im neuen Potsdam-Museum präsentiert wissen.

Geschichtsbeflissen zeigt sich Olaf Thiede nicht nur, wenn es um Potsdams alter neuer Schönheit geht. Auch von der Havelländischen Malerkolonie, die bis 1870 zurückzuverfolgen ist, fühlt er sich in die Pflicht genommen. Schließlich setzt er – neben Malern wie Oda Schielicke, Christian Heinze, Thomas Kahlau oder dem sehr artverwandten Pastellmaler Alfred Schmidt – diese auf“s Gegenständliche ausgerichtete Tradition fort. Zehn Jahren schob er den Karren an, und bekam ihn doch nicht recht in Gang. Pfingsten warf er schließlich enttäuscht das Handtuch. Die Ausstellungen im Gildehaus am Schwielowsee, in denen er mitunter drei Wochen allein die Arbeiten bewachte, gehören damit der Vergangenheit an. „Es fehlte die Unterstützung von der Gemeinde, vor allem aber auch von den Künstlerkollegen.“ Nun bringt er sein Wissen in das Museumsprojekt Ferch ein, wo bis 2008 im Kossätenhaus ein Refugium für die alten Havelland-Maler entsteht – wenn es mit den neuen schon nicht klappt.

Olaf Thiede wird sich indes nicht unterkriegen lassen. Derzeit stellt er gemeinsam mit Gisela Neuenhahn in der Galerie „Alte Metzgerei“ in Ferch seine Arbeiten aus. Man müsse sich schon kräftig drehen, um von der Malerei leben zu können: „Der Kunstmarkt ist gesättigt, in drei Monaten verkauft man höchstens ein Bild“, so seine Erfahrung. „Und die Banken“, erklärt er auf Nachfrage, „kaufen ohnehin nur Abstraktes. Dazu braucht man keine Meinung zu haben“, spitzt er sarkastisch zu.

Auch trotz des zeitraubenden Engagements für die neue „Kolonie“ habe er stets weiter gemalt: „Oft nachts, statt zu schlafen. Die Disziplin kenne ich aus meinen ersten 15 Berufsjahren als Grafiker bei der HO-Werbung und im Interhotel.“ Doch diese Branche ist für ihn seit der Wende und dem Computerzeitalter passé. „Ich bin bei der Handarbeit geblieben.“ Und mit ihr erforscht er weiter die Geheimnisse des Lichtes: sei es in der Urlaubs-Morgensonne Venedigs oder im Abendrot am Brandenburger Beetzsee. Und wenn die Natur es will, geht es auch mal düster zu.

Heute zwischen 15 und 18 Uhr führt er erneut durch seine Ausstellung. Eintritt ist frei. Die Schau läuft bis 15. Juli.

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