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Kultur: Der Regen hätte zur „Müllerin“ gut gepasst Urania-Lesung bei Christa und Konrad Näser

Es scheint“ nicht sollen sein. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr setzte die Urania eine Lesung mit Goethes „Hermann und Dorothea“ im Fuchsiengarten der Familie Christa und Konrad Näser an.

Stand:

Es scheint“ nicht sollen sein. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr setzte die Urania eine Lesung mit Goethes „Hermann und Dorothea“ im Fuchsiengarten der Familie Christa und Konrad Näser an. Wegen Regens wurde die Veranstaltung auf den Malzboden des Krongutes Bornstedt verlagert, mäßiger Erfolg für Hans-Jochen Röhrig. Der riesige Raum mochte die Stimmung des Textes so gut nicht herüberbringen. Am Sonntagnachmittag scheiterte auch ein weiterer Versuch, wieder Regen, wieder das Krongut...

Diesmal wollte Klaus Büstrin dem mehr als hundertköpfigen Publikum das Werk von Wilhelm Müller vermitteln, seinen Rom-Bericht, vor allem den Gedichtzyklus „Die schöne Müllerin“, von Franz Schubert 1823 für die Nachwelt vertont. Nichts gegen das gastfreundliche Krongut, aber auch diesmal funktionierte es nicht zur Zufriedenheit aller. Vielleicht hätte sich gerade dieser Stoff im Regen vorlesen lassen? Müllers „Reise nach Italien“ spielt ja mit den Sonnenseiten Roms, während in der „Schönen Müllerin“ ein gar dunkles Bächlein raunt: Auch in Näsers Fuchsiengarten wohnt ja viel Wasser, und Regen hat die Hörgemeinde bislang noch immer zusammengeschweißt.

Wilhelm Müller lebte von 1794 bis 1827. Wegen seiner Liebe zum Altertum hieß man ihn „Griechen-Müller“. Von ihm stammt das wörtlich zu nehmende Gedicht „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Am Brunnen vor dem Tore“. Er wanderte eben sehr gern, sonst war er sachsen-anhaltinischer Bibliothekar und Gymnasiallehrer für alte Sprachen in Dessau. Das Publikum erfuhr von seiner Sehnsucht nach dem Süden, nicht aber, dass Müller zwischen 1821 und 1824 „Griechenlieder“ als „Hymnen an die Freiheit“ verfasste. Das war nicht Romantiker-Art, dessen Weg führte eher „nach innen“. Rom: Eine Stadt, welche die Übergangszeit im Freien genoss, aber im Winter fror, im Sommer vor Hitze und Gestank in die Berge entfloh. Ist das der Traum vom Süden? „Die schöne Müllerin“ ein romantisches Gedicht? Wie Schubert das vertonte, schon, wie Müller es schrieb, eher kaum, denn sein Prolog – „für schöne Damen und kluge Herren im Winter zu lesen“ – wie auch der Epilog lassen eher auf eine Satire wider das Romantische schließen. Das hätte dann Einfluss auf den Gestus.

Klaus Büstrin trug Müller quasi durch Schubert vor, ohne das gleichförmige Versmaß zu brechen, ohne größere Elastizität, dafür mit einigem Schwärmen. Es geht um eine Affäre: Junger Wanderer kommt zu einer Mühle im Walde, verliebt sich in die blonde Müllerin, sie aber bewundert den mutigen Jäger. Vielleicht gibt sich der Geprellte selber den Tod, vielleicht träumt er ihn nur, die Strophen sagen das nicht so genau. Vielleicht war der Autor auch nur ein Schalk – der Epilog jedenfalls geht zum Sujet auf Distanz, sogar ein satirisches Echo auf Goethes seufzenden „Werther“ wäre herauszuhören...

Erstmals traten Stefan Siebert, Fagott, und Christian Balcke, Klarinette, in Aktion. Ihre teils elegische, teils muntere Interpretation von Müllers Zeitgenossen Gebauer, Beethoven und Devienne waren prachtvoll zu hören, weniger passend vielleicht das etwas schweißtreibende Klarinetten-Solo von Gaetano Donizetti. Viel gelernt also trotz Regens, durch den Regen. Sollte es so denn nicht sein? Die Abendveranstaltung kehrte dann zu den Fuchsien in die Amundsenstraße zurück.Gerold Paul

Gerold Paul

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