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Kultur: Der Reiz des Augenblicks

Malerei und Graphik von Johannes Heisig im Kunst-Kontor

Stand:

Die Farbe ist noch nicht ganz trocken. Bis zuletzt hat Johannes Heisig in seinem Berliner Atelier an dem „Sommer in Neukölln“ gemalt. Mit frischen Farben und lockerem Pinselstrich hat er die Neuköllner Hinterhofidylle vor seinem Atelierfenster auf eine wandfüllende Leinwand gebannt. Kleine Kinder, Wasserspiele und ein lässig vor sich hin plätschernder Sommertag ziehen vor unserem Auge vorüber. Durch die Rückenfigur des sich am unteren Bildrand räkelnden Mannes ins Bildgeschehen förmlich hineingezogen, ist der Betrachter unwillkürlich selbst mitten drin. In dieser Unmittelbarkeit und farbenfrohen Inszenierung liegt der eigentliche Charme des Bildes: Es zelebriert den unbeschwerten Augenblick. Johannes Heisig erweist sich hier als Maler, der seine Inspiration aus der Faszination und Vergegenwärtigung eines nachhaltigen Eindrucks, einer Stimmung empfängt. Betrachtet man die Delikatesse seiner Malweise und die Virtuosität seines Licht- und Schattenspiels liegt eine gewisse Seelenverwandtschaft zur Plein-Air-Malerei des Impressionismus geradezu auf der Hand. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, Johannes Heisig auf eine impressionistische Manier reduzieren zu wollen.

Die Ausstellung „Sichtverhältnisse“ im Kunst-Kontor, in der das eben vollendete Sommerbild des Berliner Malers nun erstmalig zu sehen ist, belehrt einen schnell eines Besseren. Friederike Sehmsdorf, die den 1953 in Leipzig geborenen Maler bereits seit mehreren Jahren in ihrem Galerieprogramm vertritt, präsentiert Johannes Heisig in dieser überhaupt ersten Einzelausstellung des bedeutenden Malers in Potsdam auch von seinen anderen Seiten. Zu erleben ist Heisig als Zeichner, als meisterhafter Porträtist sowie als Landschafts- und Stilllebenmaler. Eine Entdeckung sind auch seine überaus ausdrucksstarken Christusbilder: Interpretationen einer mittelalterlichen Eisenacher Kruzifixskulptur, die den Künstler sehr beeindruckt hat.

Daneben gibt es Bilder – etwa „Das Schlaflabor“ und die „Love Parade“ – die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Sie sind so gemalt, dass sie sich dem Betrachter erst dann wirklich preisgeben, wenn er sie mit forschendem Blick gründlich abgetastet und sich somit selbst erschlossen hat. Geht man mit seinen Augen in dem geheimnisvollen „Schlaflabor“ auf Entdeckungsreise, wird man ganz besonders reich belohnt.

Die Vielschichtigkeit der Bilder von Johannes Heisig – gemeint sowohl im übertragenen wie im buchstäblichen Sinne des Wortes – verweist nicht zuletzt auf das malerische Erbe, das der Künstler angetreten ist. In seinen Anfängen als Maler zunächst durch den Vater Bernhard Heisig geformt, erhielt die Kunst Johannes Heisigs ihre Prägung durch die Traditionsakademien in Leipzig und dann in Dresden, wo er zur Wendezeit als Professor und Rektor tätig war.

Seit einigen Jahren geht Johannes Heisig als freischaffender Künstler konsequent seinen eigenen Weg. Zu würdigen ist ein hoch geschätzter Porträtist, ein bekennender Geschichtenerzähler und ein Maler, der in seinen Bildwelten zunehmend spirituelle Spuren legt.

Die Ausstellung „Sichtverhältnisse“ ist noch bis zum 22. Dezember im Kunst-Kontor, Bertinistraße 16 B, zu sehen. Di und Mi von 15 bis 19 Uhr, Do 15 bis 22 Uhr sowie Sa 13 bis 18 Uhr.

Almut Andreae

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