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Kultur: Der Sänger als Therapeut

Karl-Heinz Bomberg über die psychischen Folgen der DDR-Repression

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„Der gute Analytiker lässt immer einen Rest“, versicherte Karl-Heinz Bomberg nach seinem recht fachbezogenen Vortrag im Babelsberger „Institut für Psychotherapie“. Sein Beitrag über die Langzeitfolgen politischer Traumatisierung und Repression in der DDR eröffnete eine Serie von Veranstaltungen, über die das teils künstlerische, teils wissenschaftliche Haus in der Rosa-Luxemburg-Straße fortan mehr Öffentlichkeit herstellen möchte.

Ebenerdig die Galerie Bauscher, in der ersten Etage aber bildet man seit einem Jahr bis zu fünfzehn Psychologen zu Psychotherapeuten der Freud’schen Schule aus. Jürgen Golombek leitet dieses Institut. Er kennt seinen Kollegen, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, dazu Liedermacher und Schöpfer der „Fersigen Verse“, Karl-Heinz Bomberg, seit langem. Inmitten der bemalten Holzskulpturen von Hans Scheib, die mit ihrer „Kopflastigkeit“ lateinamerikanische Vorbilder nicht verleugnen, hörten etwa zwanzig Ohrenpaare, was Bomberg über sein Thema zu sagen wusste.

Er selbst verbrachte 1984 drei Monate in Stasi-U-Haft, wobei sein „Verbrechensverdacht“ mindestens zwei Jahre vorsah. Kritische Äußerungen des Liedermachers waren der Grund. Nach zwei Monaten („im Knast bekommt das Wort ,Freiheit’ etwas ganz Schwärmerisches“) ließ man ihn ob gewisser Proteste in West und Ost laufen. So wusste er aus eigenem Erleben, mit welch psychologischen Mitteln die gar nicht so Geheimen Seinesgleichen kleimachen wollten und wie man sich davor schützt.

Längst betreut Karl-Heinz Bomberg selbst die Opfer der Stasi-Diktatur. Der 1955 in Thüringen Geborene weiß natürlich, wie stark jede Therapie von einer Analyse „der Umstände“ abhängt. Also entwarf er zuerst ein „möglichst differenziertes“ DDR-Bild, darin auch „positive Seiten“ Platz fanden: die großen Ideale des Aufbruchs, die Vorzüge einer „geschlossenen Gesellschaft“, eine spezielle Art von Widerstand und Kreativität. Das stete Misstrauen zwischen Regierung und Volk sei ein Grund für all die Traumata, die direkt und indirekt daraus folgten. Interessant. So drückt ein Psychologe Politik aus.Die weitere Darstellung verlor sich leider im Fach-Chinesisch. Ständig irgendwelche Kollegen zitierend, machte er deutlich, wer in diesem Fach den Ton angab. Man hätte es, im öffentlichen Vortrag, mit eigenen Worten besser sagen können. Dergestalt beschrieb der Referent Phasen politischer Verfolgung, Methoden, Geständnisse zu erzwingen, Spätfolgen der Haft, um dann auf die Therapieformen einzugehen; Traumata, sagte er, ließen sich nur lindern, nicht heilen. Und in eigener Sache: „Nach zwanzig Jahren ist noch längst nicht alles vorbei!“

Der besagte Rest war also nicht gerade nebensächlich. Auf Rückfrage gab er zu, dass haftbedingte Psychokrankheiten bei allen Gefangenen auftreten, nicht nur bei den politischen. Kein Wort von Guantanamo und den geheimen CIA-Gefängnissen in Europa, dort hätte ein Therapeut gewiss nicht weniger zu tun. Nur immer „DDR!“ zu rufen, kann manchmal ganz schön kleinlich sein. Zum Abschluss sang er dann mit leiser Stimme selbstgeschriebene Lieder zur Gitarre. Sie handelten von Haft, Verfolgung, Tod. Gerold Paul

Gerold Paul

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