Kultur: Der Uneindeutige
Das Filmmuseum zeigt eine Werkschau des Schaubühnen-Stars Lars Eidinger
Stand:
Nadja Uhl war schon da, Birgit Minichmayr, Sylvester Groth und der Regisseur Hans Weingartner: Die Werkschau zu einem deutschsprachigen Schauspieler gehört beim Filmmuseum einfach zum Jahresanfang dazu. Dieses Mal hat sich Sachiko Schmidt, der für das Programm verantwortlich ist, für Lars Eidinger entschieden. Sechs Filme mit ihm zeigt das Filmmuseum vom heutigen Mittwoch an bis Sonntag, am Freitag kommt er zur Vorführung seines jüngsten Films „Die Wolken von Sils Maria“ und zum anschließenden Publikumsgespräch ins Filmmuseum.
Eben dieser Film, sagt Schmidt, war der Grund, weshalb er sich in diesem Jahr für eine Eidinger-Werkschau entschieden hat. Allerdings war es in dem Fall weniger seine Schauspielkunst, die Schmidt überzeugte – sondern die Parallelen, die zwischen Eidingers Rolle und seiner Person existieren. Der 38-Jährige spielt darin einen jungen, aufstrebenden Theaterregisseur, der eine alternde Schauspielerin (gespielt von Juliette Binoche) in eine tiefe Sinnkrise stürzt: Sie soll, so stellt es sich der Regisseur vor, in einer Neuauflage des Stückes mitwirken, mit dem sie vor zwanzig Jahren berühmt wurde. Diesmal allerdings soll sie nicht die Rolle der jungen Verführerin übernehmen, sondern die des älteren Widerparts. Eidinger als der Regisseur steht darin zwischen diesen beiden Frauen, aber auch zwischen Theater und Film, großen Aufträgen und künstlerischer Freiheit.
„Das eignet sich einfach wunderbar, um mit ihm ins Gespräch über seine eigene Arbeit zu kommen“, so Schmidt. Und es stimmt ja, Eidinger ist zwar seit 2000 Ensemblemitglied an der Berliner Schaubühne, nebenbei spielt er in Kino- und Fernsehfilmen – doch er ist er noch jung, trotz aller Erfolge gibt es für ihn karrieremäßig noch Luft nach oben.
Das würde er selbst vielleicht so nicht unterschreiben, Eidinger weiß sehr wohl, was er kann und spielt auch nicht mit falscher Bescheidenheit. Davon hält er auch bei Kollegen nichts: „Mich frustriert, dass viele Schauspieler und Künstler so kokett sind. Die Leute wissen doch um ihre Qualitäten“, sagte er dieser Zeitung vor einem Jahr im Interview.
Und er hat, das wird sich in den kommenden Tagen im Filmmuseum gut rekapitulieren lassen, in einer ganzen Reihe ziemlich besonderer Kinofilme mitgespielt – „Alle Anderen“ etwa von Maren Ade, in dem er an der Seite von Birgit Minichmayr spielte und der bei der Berlinale 2009 zwei Silberne Bären gewann. Mit diesem Film eröffnet die Werkschau am heutigen Mittwoch um 17 Uhr.
„Das war auch eine Musterrolle für ihn“, sagt Schmidt und meint damit das Verharren im Dazwischen, diese Unentschiedenheit eines Mittdreißigers, das er darin so auf den Punkt gebracht hat. Genau das passt in diese Zeit, in der, wie Schmidt sagt, „die klassischen Männerbilder nicht mehr zur Verfügung stehen“.
Einen Zerrissenen spielt Eidinger auch in „Was bleibt“ von Hans-Christian Schmid. Doch ist es hier keine berufliche Konstellation, sondern die Familie, seine Rolle als Vater und Sohn, die ihn aufreibt. Noch weiter geht dieses Grenzgängertum in „Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“, einem Film von Christoph Stark. Eidinger spielt darin den Dichter Georg Trakl, den ein inniges Verhältnis mit seiner jüngeren Schwester Grete verbindet. Das Unentschiedene, das Hin- und Hergerissene, das verkörpert Eidinger nicht nur in seinen filmischen Beziehungen zu anderen, sondern oft auch in sich selbst: Eidinger ist keiner, der für die Eindeutigkeit steht, bei ihm schwingt immer viel Vages, manchmal etwas Weibliches mit, er spielt gerne mit den Grenzen. „Ich würde ihn schon gerne mal in einer typischen Moritz-Bleibtreu-Rolle sehen, so eine Starke-Mann-Geschichte“, sagt Schmidt. Er hat aber noch einen konkreteren Wunsch: „Ich werde ihn mal fragen, ob er nicht bei uns im Filmmuseum auflegt.“ Schaubühnen-Fans wissen es: Eidinger pflegt seine eigene kleine Partyreihe, die „Autistic Disco“, bei der er an Platten auflegt, was ihm so gefällt, Elektro-Pop vor allem. Wenn sich Rollenangebote aus dem Ausland künftig häufen, könnte ihm dafür aber die Zeit fehlen.
Das aber könnte bald passieren: Als Olivier Assayas, der Regisseur von „Die Wolken von Sils Maria“ anrief, so erzählt Eidinger in einem Interview, musste er nicht lange überlegen. Er kannte Assayas Arbeit, Filme wie „Carlos – der Schakal“ oder „Die Wilde Zeit“, und sagte sofort zu. Und für seine Kollegin Juliette Binoche, mit der er für „Die Wolken von Sils Maria“ das erste Mal vor der Kamera stand, hat er in Interviews nichts als Lob übrig. Das ist nicht selbstverständlich, Lars Eidinger fordert von anderen denselben Einsatz wie von sich selbst. Deshalb nervt es ihn, wenn seine Kollegen aufhören zu spielen, sobald sie bei Dreharbeiten nicht im Bild sind. Bei Juliette Binoche war das anders, die blieb in der Rolle. Dass der sich lohnt, dieser Extra-Einsatz, dieses Dauerbrennen, das erleben seine Zuschauer, ganz gleich, ob er im Schaubühnen-Dauerbrenner „Dämonen“ seine drei Mitspieler verblassen lässt oder einem schnöden Polizeiruf ungeahnte Tiefe verleiht. Bislang ist sein Kinofilm-Oeuvre noch überschaubar, weshalb die Werkschau im Filmmuseum nur wenig auslässt – den Endzeit-Thriller „Hell“ etwa, den aber vor allem, „weil es eben eher ein Branchenfilm ist“, sagt Schmidt. Die sechs Filme, die jetzt in der Werkschau laufen, bieten aber einen guten Überblick über Eidingers Arbeit. Er sei, so Schmidt, definitiv einer seiner Lieblingsschauspieler der Gegenwart.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: