Kultur: Der Vermittler
Der ehemalige Intendant des Hans Otto Theaters, Gero Hammer, wird heute 75 Jahre
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Er musste als Intendant des Hans Otto Theaters zu DDR-Zeiten so manchen politischen Strauß ausfechten: mit Günther Jahn und seinem Gefolge. Die Genossen der Bezirksleitung der SED verpassten keine Premiere, und auch schon zuvor warfen sie ihr kritisches Auge auf die Probenverläufe.
Doch Gero Hammer, der heute in Halberstadt seinen 75. Geburtstag feiert, hatte diplomatisches Geschick. Nur so war es wohl möglich, aufsehenerregende, kritische Aufführungen wie „Wolokolomsker Chaussee“, „Zeit der Wölfe“ oder „Morgen war Krieg“ auf die Bühne zu bringen. Auch nach Peter Brähmigs Interpretation von Mozarts „Lucio Silla“, in der er die greisen Machthaber karikierte, gab es Zunder von „oben“, den er abfangen musste.
Es war die heiße Zeit Ende der achtziger Jahre, als nicht nur an den Theatern die Luft brannte. Die Leute rannten in die Vorstellungen, als gäbe es dort Bananen. Aber es war der Hunger auf geistige Kost, den sie vor allem stillen wollten.
Gero Hammer, als Mitglied der Volkskammer selbst hochrangig politisch engagiert, schaffte in seiner konzilianten Art den Spagat, Brisantes zuzulassen und sich doch nur so weit vorzuwagen, dass es nicht zum Eklat kam. So legte die SED-Führung vom BRauhausberg dem Intendanten nahe, die Inszenierung von Heiner Müllers „Wolokolomsker Chaussee“ langsam vom Spielplan zu nehmen. Die Ansetzungen wurden dann allmählich ausgedünnt, so wahrte man in der Öffentlichkeit das Gesicht.
Ein richtiges Verbot wurde umgangen. Bei „Der Revisor oder Katze aus dem Sack“ ließ man sich weniger besänftigen. Die dritte Vorstellung war zugleich die Letzte. Das Lachen über die Komödie von Jürgen Groß blieb den politischen Entscheidungsträgern im Hals stecken. Die Konfrontation geschah indes hinter geschlossenen Türen und wenn die Wende nicht gekommen wäre, vielleicht wäre es das Aus für Gero Hammer als Intendant in Potsdam gewesen. Der Abschied ließ aber auch so nicht lange auf sich warten.
Im Herbst 1991 kehrte Gero Hammer in das Harzvorland zurück, dort, wo der gebürtige Stettiner nach dem Krieg seine Kindheit und Jugend verbrachte. Nunmehr leitete der zuvor als Präsident des neu formierten Deutschen Bühnenbundes der DDR gekürte Kulturpolitiker das Halberstädter Theater. Alsbald gründete er das „Nordharzer Städtebundtheater“, dem er bis 1999 vorstand.
Zwanzig Jahre lenkte Hammer die Geschicke der Spielstätte in der Potsdamer Zimmerstraße und hielt es damit am längsten auf diesem „Sessel“ aus. Er verlieh der bereits zuvor gegründeten Montagabend-Reihe neue Impulse und auch die Werkstatt Tage Neuer Dramatik sind auf seine Ära zurückzuführen. Zahlreiche Stücke gesellschaftskritischer Autoren, wie von Athol Fugard, Sean O“Casey oder Alfred Matusche, erlebten in Potsdam ihre Uraufführung. Inszenierungen seiner Spielplan bestimmenden Regisseure, wie Uta Birnbaum, Rolf Winkelgrund, Piet Drescher, Peter Brähmig, Günter Rüger oder Gert Jurgons, überzeugten oft Publikum und Kritik.
Das Potsdamer Hans Otto Theater machte sich in der DDR und auch darüber hinaus einen Namen - nicht zuletzt durch den künstlerischen Freiraum, den Gero Hammer seinen Mitarbeitern ermöglichte, und durch den Ensemblegeist, den er mit formte.
Bis heute ist der ehemalige NDPD-Mann politisch engagiert - nunmehr in der „Wählervereinigung Bürger unseres Kreises ohne Parteibuch“. Mit deren Mandat ist er Stadtrat in Halberstadt. Zudem ist Gero Hammer Vorsitzender des Kulturausschusses des Regionalverbandes Harz.
Nach Potsdam zog es ihn in den vergangenen zwei Jahren aber auch immer mal wieder: Schließlich wurden hier noch einmal in einer Matinee-Reihe die spannendsten Inszenierungen, die unter seiner Ägide entstanden sind, als Aufzeichnungen des DDR- Fernsehens vorgestellt.
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