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Kultur: Der Wunsch eines Freundes

Morgen stellt Bodo Kirchhoff in Potsdam seinen Roman „Eros und Asche“ vor

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Ein Freund ist gestorben. Kurz vor seinem Tod hatte er gefordert: „Pack unsere Dinge in einen Roman“. Er hat es am Telefon gesagt, dort, wo die Gespräche der Freunde seit Jahren nur noch stattfanden. Seine Stimme war schwach, das Atmen fiel schwer. Die tödliche Krankheit hatte den Freund längst fest im Griff.

Diesen Wunsch zu erfüllen, hat Bodo Kirchhoff „Eros und Asche“ geschrieben. Für diesen Roman hat Kirchhoff im Januar die Carl-Zuckmayer-Medaille bekommen. Morgen kommt der Autor so fein gesponnener Romane wie „Infanta“, „Parlando“ und „Wo das Meer beginnt“ nach Potsdam, um im Literaturladen Wist aus „Eros und Asche“ zu lesen.

Dieser über 275 Seiten starke Roman ist wohl Kirchhoffs bisher persönlichste Arbeit. Diesen Freund, im Roman mit M. bezeichnet, hat es wirklich gegeben. Und auch den Wunsch, die gemeinsamen Dinge in einen Roman zu packen. Dem 59-Jährigen Kirchhoff ist mit diesem Wagnis, diesem Balanceakt ein Meisterwerk gelungen. Denn er legt hier Persönlichstes offen, scheinbar ohne die geringste Verfremdung, die in der Form des Romans doch ein Leichtes gewesen wäre. Schnell hätte das so Bloßgelegte zu einem peinlichen Seelenexhibitionismus verkommen können. Doch ist es Kirchhoffs selbstironische und leicht distanzierte Selbstbetrachtung und seine so unverkennbare Sprache, die auf keiner einzigen Seite das Gefühl von Peinlichkeit aufkommen lässt.

Erinnerung und Gegenwart scheinen in „Eros und Asche“ eins zu sein. Egal wohin sich der Ich-Erzähler auch begibt, der verstorbene Freund ist ihm ein ständiger Begleiter und damit auch die Erinnerungen. Kirchhoff erzählt von der ersten Begegnung mit M. in einem Internat, von der sich entwickelnden Freundschaft, von den gemeinsamen Reisen, den gemeinsamen Streitigkeiten. Ohne viele Worte zu verlieren, wird hier eine tiefe und ganz besondere Freundschaft skizziert.

Immer wieder fragt der Ich-Erzähler während der Reise in die gemeinsame Vergangenheit, wie gut er M. eigentlich kannte, was und wie er manche Dinge hätte anders machen können. Dabei zeichnet Kirchhoff ein Psychogramm zwischen Anziehung und Abstoßung, das die Freundschaft zwischen dem erfolgreichen Schriftsteller in Frankfurt am Main und dem sich verweigernden, oft zynisch erscheinenden M., der in Berlin als Arzt arbeitet, prägte. Mit der Erfüllung des letzten Wunsches gelingt dem Erzähler endlich das, was er zu Lebzeiten von M. mehr oder weniger glaubte, sich immer noch wünschen zu können: Doch noch die Orte gemeinsam zu besuchen, wie sie es sich immer wieder versprochen hatten. Dass diesen Versprechen mehr die Sehnsucht nach dem früheren Zusammensein innewohnt, als der Glaube, es ernsthaft zu tun, sei dahin gestellt. Mit „Eros und Asche“ hat Bodo Kirchhoff nicht nur M., sondern auch dem Leser einen besonderen Freundschaftsdienst erwiesen. Dirk Becker

Bodo Kirchhoff liest morgen, ab 20 Uhr, im Literaturladen Wist in der Brandenburgerstraße aus „Eros und Asche“. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 4 Euro.

Dirk Becker

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