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Von Dirk Becker: Der Zauber kleiner Welten

Neun Tage mit 18 Theatern – Am Freitag beginnt das Internationale Theaterfestival Unidram

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Es wird etwas verloren wirken, dieses kleine Zirkuszelt mitten in der Schinkelhalle. Nur fünfzig Zuschauer finden Platz darin, ganz nah an der Bühne, um die Liebesgeschichte von Virginia und Valentino zu verfolgen. Es ist eine bizarre und fantasievolle Welt, in die der mechanische Zirkus der Brüder Senen und Jomi Oligor in diesem Zelt entführen will. „Die Bedrängnisse der Virginia“ heißt das Theaterstück der beiden Spanier, in dem das große Thema Liebe auf kleiner Bühne verhandelt wird. Ein Herz, aus Zahnrädern geschmiedet, Sternschnuppen aus Schwarzpulver und schnurrende Roboter begegnen Virginia und der kleinen Schar von Zuschauern. Allein vier Mal wird „Die Bedrängnisse der Virginia“ in der kommenden Woche beim Internationalen Theaterfestival Potsdam Unidram in der Schiffbauergasse zu erleben sein.

Dann ist da noch K. Ein friedlicher Kerl, dem die Umstände zu Leibe rücken und sein beschauliches Leben zerstören wollen. Das niederländische Objektentheater „TamTam“ mit seinem Stück „Survival oder wie man Murphys Gesetz überlebt“ nimmt einen mit in die aus den Fugen geratene Welt von K. Eine Miniaturwelt wie die von Virginia unter dem Zirkusdach, in der die Figur K. – Kafka lässt grüßen – um seine alte Hütte kämpfen muss. Eine diffuse Macht, repräsentiert durch rücksichtslose Hämmer, heimtückische Sägen und selbst mürrische Bügeleisen, will K. an den Kragen und ihn vertreiben. Ein bissig-bösen Theatergenuss mit herrlichsten Einfällen, wie Jens-Uwe Sprengel mit diesem Auftritt des Objektentheaters „TamTam“ bei Unidram verspricht.

Neun Tage, vollgepackt mit Theater in seinen unterschiedlichsten Formen, will das Festival Unidram bieten, das am Freitag mit „Zwölf Schwestern“ von „schindelkilliusdutschke“ aus Berlin im T-Werk eröffnet wird. Insgesamt 18 junge und experimentierfreudige Theater aus ganz Europa haben die Organisatoren vom T-Werk um Jens-Uwe Sprengel nach Potsdam einladen können. Darunter auch Gruppen, die ihre Produktionen zum ersten Mal in Deutschland zeigen. Mehr als 100 Künstler aus Italien, Tschechien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, der Slowakei, der Schweiz und den Niederlanden wollen dann bis zum Samstag, 7. November, die Schiffbauergasse mit ihrem Theater verzaubern und die Zuschauer in manch abgründige, bizarre oder äußerst phantasievolle Welt entführen.

Ins mittlerweile 16. Jahr geht das Festival Unidram, das aus der Grundidee heraus entstand, den künstlerischen Austausch zwischen Theatern aus Ost- und Westeuropa zu fördern. Unidram hat sich in den Jahren zu einer angesagten Adresse für junge Theater aus ganz Europa entwickelt. Was allein die 300 Bewerbungen für das diesjährige Festival zeigen. Gleichzeitig sind diese 300 Bewerbungen für die Organisatoren auch die Garantie dafür, dass Unidram mit jedem Jahr spannend bleibt und sich zum Teil auch jedes Mal wieder neu erfindet. So wird bei der Auswahl für das neue Programm zum Teil zwar auf Theatergruppen zurückgegriffen, die schon bei früheren Festivalauftritten für Aufsehen gesorgt haben, zum Teil folgt die Auswahl aber aus den eingesandten Bewerbungen. Einen dritten Teil machen die persönlichen Neuentdeckungen der Unidram-Macher aus, für die sie sich auf anderen Festivals begeistert konnten. „Die Entscheidung, wer letztendlich bei Unidram auftreten wird, fällt in sehr langen, intensiven und hitzigen Diskussionsrunden“, sagt Jens-Uwe Sprengel. In einem Punkt sei man sich aber einig, so Sprengel. Auf die Bühnen im T-Werk und der Schinkelhalle, im Waschhaus und der Waschhaus Arena, im Museum Fluxus+ und dem Schirrhof kommt nur, was überrascht, nachvollziehbar ist und Spaß machen soll. Allzu hintergründiges Theater mit einem mächtigen theoretischen Überbau, das den Zuschauern vor allem nur Kopfzerbrechen bereite, passe nicht in das Konzept von Unidram.

Und so bietet Unidram in diesem Jahr von Formen des Tanz- und Musiktheaters über multimediale Performances und Installationen bis hin zu Schauspiel, Objekt- und Figurentheater ein breites Spektrum. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Figurentheater, dem am Dienstag, 3. November, unter dem Motto „Bis in die Puppen“ eine lange Nacht gewidmet wird. Bereits zum vierten Mal wird es zum Finale am Samstag, 7. November, eine lange Nacht der Experimente mit Tanztheater, szenischen Konzerten, Klanginstallationen und Theater mit Maschinen und Objekten geben. Und wie fast jedes Jahr mussten die Organisatoren auch wieder bis zum Schluss um die Finanzierung des rund 100 000 Euro teuren Festivals bangen. Erst durch Vermittlung der scheidenden Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) habe der Ostdeutsche Sparkassenverband eine Lücke von 20 000 Euro geschlossen. Jens-Uwe Sprengel sagt, dass es schön wäre, wenn die Finanzierung eines solchen, mittlerweile renommierten Festivals längerfristig gesichert werden könne. Doch er gibt sich keinen Illusionen hin. Auch im kommenden Jahr wird es wohl wieder zum aufreibenden Kampf um das Geld kommen. Doch die Macher von Unidram lassen sich davon nicht entmutigen. In ihrem Programmheft werben sie schon für das Jahr 2010.

Weitere Informationen zum Programm unter www.unidram.de

Dirk Becker

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