Kultur: Dialog zu Dritt
Klassik-Stars bei der Kammerakademie: Julia Fischer, Daniel Müller-Schott und Martin Helmchen
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Noch ist es im Nikolaisaal still. Nur einzelne Mitarbeiter huschen durch die Gänge. Es ist noch Zeit bis zur Probe der Kammerakademie Potsdam, die im Großen Saal stattfindet: Generalprobe für das anstehende Konzert. Doch aus einer Garderobe im ersten Stockwerk ist Violinspiel zu hören. Der Besucher steht an der Tür, lauscht und ist beeindruckt von dem warmen Geigenton. Julia Fischer ist schon seit 8 Uhr im Konzerthaus, um sich für die Probe vorzubereiten. Sie liebt die Stille in einem Konzerthaus und das Sich-Konzentrieren vor dieser wichtigen Begegnung mit dem Orchester, bei der man sich sich noch einmal vor dem Auftritt mit dem Dirigenten und dem Klangkörper verständigen kann.
Für das morgige Konzert im Nikolaisaal (20 Uhr), das in der Reihe „Stars international“ veranstaltet wird, müssen drei Solisten miteinander kommunizieren, zugleich mit dem Dirigenten und dem Orchester. Auf dem Programm steht das Konzert für Violine, Violoncello, Klavier und Orchester C-Dur op. 56 (Tripelkonzert) von Ludwig van Beethoven. Mit Julia Fischer werden der Cellist Daniel Müller-Schott und der Pianist Martin Helmchen musizieren, drei junge Künstler, die auf Konzertpodien in aller Welt und mit CD-Aufnahmen international einen hervorragenden Ruf errangen. Bald schaut auch Daniel Müller-Schott bei Julia Fischer vorbei. Nur Martin Helmchen kommt etwas atemlos herbei geeilt, denn ein Autostau von Berlin nach Potsdam verhinderte ein ruhigeres Sich-Einpendeln auf die Generalprobe. Doch um 10.30 Uhr befinden sich alle Drei pünktlich auf der Bühne. Die Kammerakademie und ihr Chefdirigent Michael Sanderling haben gerade die Noten von Felix Mendelssohn Bartholdys Konzert-Ouvertüre zum Märchen von der schönen Melusine op. 32 beiseite gelegt.
Und nach dem Tripelkonzert wird das Orchester dann sich Dmitri Schostakowitschs Kammersinfonie op. 73a, eine Bearbeitung des 3. Streichquartetts, zuwenden. Dieses spannende Konzertprogramm wird nicht nur in Potsdam zu hören sein. Mit ihm reisen die drei Solisten, Sanderling und die Kammerakademie nach Hamburg, Stuttgart und Lehr bei Oldenburg.
„Dies ist eine Traumwoche. Mit solch guten Freunden wie Michael, Daniel und Martin zu musizieren, macht einfach Spaß. Und von diesem sehr flexiblen Orchester habe ich bereits beste Eindrücke“, schwärmt die Münchnerin Julia Fischer (24). Rund 100 Mal hat die Weltklasse-Geigerin Beethovens Tripelkonzert musiziert, auch gemeinsam mit Daniel Müller-Schott, nun auch erstmals mit Martin Helmchen. Dass das Tripelkonzert nicht jene Berühmtheit erreichte, die Beethovens andere Solokonzerte genießen, bedauert Julia Fischer. „Das Werk, das in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts entstand, ist von starker poetischer Ausstrahlung und herrlich tänzerisch beschwingt.“ Und der ebenfalls aus München gebürtige Daniel Müller-Schott (31) fügt hinzu, dass das Konzert viel von den Solisten verlangt, vor allem in Sachen Dialog. „Dre Dialog muss zwischen uns, den Solisten, dem Orchester und Dirigenten stimmen. Dann können sich große Spannungen entfalten, von der Kammermusik bis zur sinfonischen Dimension.“ Während Daniel Müller-Schott das Tripelkonzert schon seit Jahren fest zu seinem Repertoire gehört, hat Martin Helmchen (25), der im brandenburgischen Schwante aufgewachsen ist, das Werk erst vor kurzem einstudiert. Für ihn ist das Konzert mit der Kammerakademie und seinen Solistenkollegen eine Premiere. „Natürlich ist das Werk vor allem für den Cellisten ein Topstück, doch auch für das Klavier und für die Violine hält es dankbare Passagen bereit“, sagt Martin Helmchen. Für die Interpretation des Beethoven-Konzerts sollten drei Solisten von gleicher Qualität zur Verfügung stehen. Und nun hat die Kammerakademie das Glück, drei junge Musiker von hohem Rang in einem Konzert zu präsentieren.
Julia Fischer hat schon mit drei Jahren die Geige für sich entdeckt. Als die Eltern spürten, dass die Tochter leidenschaftlich gern auf dem Saiteninstrument spielte, beschlossen sie ihr die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen. „Mit neun Jahren bekam ich Geigenunterricht an der Münchner Musikhochschule. Mit 13 spielte ich schon 20 Konzerte. Da musste ich lernen, mit dem Zeitlimit sehr gut umzugehen. Die Schule und das Musizieren mussten schließlich unter einen Hut gebracht werden.“ Das große Talent und der eiserne Willen von Julia Fischer, nur Bestes zu präsentieren, haben sie an die Weltspitze gebracht. Heute absolviert die Professorin der Musikhochschule Frankfurt am Main 80 bis 100 Konzerte im Jahr, hinzu kommen noch etliche CD-Aufnahmen. „Glücklicherweise bin ich in der Lage nur mit den besten Orchestern und Dirigenten der Welt zusammenzuarbeiten, die mich bei meiner Interpretation inspirieren.“
Auch Daniel Müller-Schott, der mit sechs Jahren begann, Cello zu spielen, hat ein großes Repertoire aufzuwesien. „Es kommt natürlich vor, dass ich mehrmals in der Woche mich auf ein anderes Werk konzentrieren muss. Das ist wie bei einem Schauspieler, der Abend für Abend eine andere Rolle zu spielen hat. Das ist musikalischer Alltag. Die Cellokonzerte von Dvorak oder Schumann habe ich natürlich sehr verinnerlicht, doch es gibt Werke, die selten ein Konzertveranstalter aufs Programm setzt, beispielsweise die Konzerte von William Walton oder Györgi Ligeti. Die brauchen dann meine besondere Aufmerksamkeit und Liebe, damit das Publikum sie schließlich ebenfalls lieb gewinnt.“ Daniel Müller-Schott hat mit 15 Jahren als erster Deutscher beim 1. Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb für junge Musiker in Moskau den ersten Preis unter den Cellisten gewonnen. Von da an wurde er von renommierten Orchestern und Dirigenten eingeladen, mit ihnen zu musizieren.
Auch Martin Helmchen, obwohl er noch in Hannover studiert, ist auf internationalen Konzertpodien anzutreffen. Debüts wird er in dieser Saison beim London Philharmonic Orchestra und beim Orchestre National de France unter Kurt Masur geben. 2008/09 ist er Artist in Residence des Konzerthauses Berlin. „In den vergangenen Jahren habe ich mich intensiv mit Kammermusik beschäftigt, jetzt sollen die Solokonzerte mehr Gewicht bekommen, vor allem die Wiener Klassik und Bach“, erzählt Helmchen, als er versucht noch vor der Probe ein Kaffee aus dem Automaten zu erwischen. „Es gibt s owviel Klavierkonzerte zu spielen. Ein einziges Leben wird nicht reichen, sie alle kennenzulernen.“ Der Pianist beschäftigt sich nun auch mit der historischen Aufführungspraxis auf dem Hammerklavier. Philippe Herrweghe, der Spezialist für alte Musik, hat ihn dazu angeregt. „Ob es eines Tages von Erfolg gekrönt ist, kann ich noch nicht sagen. Wir werden sehen.“ Aber als Kammermusikpartner ist Helmchen sehr gefragt. Unlängst hat er gemeinsam mit der Sopranistin Juliane Banse bei der Schubertiade im österreichischen Schwarzenberg mit Erfolg musiziert.
Auf der Bühne im Nikolaisaal gibt es noch einige Absprachen zwischen den drei Solisten und Sanderling. Morgen wird man hören, wie ihr musikalischer Dialog auch den Zuhörer beeindruckt.
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