Kultur und Kulturen sind niemals statisch, sondern befinden sich immer in der Veränderung. Diese mag schneller oder langsamer verlaufen, sie mag stufenweise und fast unmerklich vor sich gehen, aber es gibt einen ständigen Wandlungsprozess. Es existiert die „politische Kultur“ sowie der Kulturbegriff, der für Werte und Traditionen steht. Und traditionell wird „Hochkultur“ und „Volkskultur“ unterschieden. Bach und Rilke bis zu Kunsthandwerk und Volksmusik umfasst sie. Beides ist mit der Wissenschaft und der Religion im weiteren Sinne verknüpft. Dass zunächst „fremd“ erscheinende Kulturen meist über große kulturelle Schnittmengen verfügen, dass Kulturen sich häufig in wichtigen Bereichen überlappen, wird heutzutage immer deutlicher. Judentum, Christentum und Islam gegeneinanderzustellen, würde beispielsweise übersehen, dass diese nicht nur aus einer Quelle entspringen, sondern sich in vielem sehr ähneln.
Der israelische Dirigent Ud Joffe wird immer wieder von der Frage nach der gemeinsamen Basis spirituellen Verlangens getrieben. In universellen Werken sucht er in Konzerten nach Wegen, die rituelle und musikalische Praktiken und Symbole unterschiedlicher Kulturen in einen Dialog bringen. Und in einen interkulturellen Dialog wollen in diesem Jahr die 8. Potsdamer Vocalwochen „Vocalise“ treten. Der Verein „Musik an der Erlöserkirche“ hat unter der künstlerischen Leitung von Ud Joffe ein sehr farbenreiches Programm erarbeitet. Ab morgigen Sonntag wird es im Nikolaisaal zu erleben sein. Das Neue Kammerorchester Potsdam und die israelische Sopranistin Keren Hadar bringen Werke jüdischer Komponisten zu Gehör. Dieses Konzert findet auch aus Anlass des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht von 1938 statt. Das erste Werk, das erklingt, stammt von dem slowakischen Komponisten Vladimir Godár. Er hat es „Maykomashmalom“ – „Was bedeutet das?“ genannt. Mit dieser Frage beginnen im Talmud, dem jüdischen Auslegungswerk der Bibel, die Dialoge. „Maykomashmalom“ – „Was bedeutet das?“. Die Frage ist erlaubt, sogar wichtig. Denn so können Dialoge entstehen und ein Verstehen für andere Menschen und fremde Kulturen. Die neun Konzert-Dialoge der „Vocalise“ laden dazu ein.
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