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Staatsmann zwischen Lebens- und Liebeslust. Karl August Freiherr von Hardenberg, (Johann Lorenz Kreul, um 1795).

©  HBPG

Von Dirk Becker: Die Aktualität des „Reformkanzlers“

Hardenberg-Biograf Ingo Hermann diskutiert am morgigen Mittwoch im Kutschstall

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Schon zu seinen Lebzeiten waren die Kritiker Hardenbergs in ihren Äußerungen nicht gerade fein. So soll Karl Freiherr von Stein über die Verbindung von diplomatischem Geschick und ausgeprägter Lebens- und Liebeslust beim Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg geurteilt haben, dieser sei „halb Fuchs, halb Bock“.

Auch die Historiker folgender Generationen urteilten nicht immer schmeichelhaft über den preußischen „Reformkanzler“. Natürlich ist eine solche einseitige Beurteilung immer auch das Resultat einer Betrachtung und Einordnung historischer Personen aus der Epoche des jeweiligen Historikers heraus. Doch wie hartnäckig sich solche Vorurteile vor allem auch im Fall Hardenbergs hielten, zeigt das Urteil von Friedrich Meinecke, dem führenden Repräsentanten der deutschen Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und Begründer der „Ideengeschichte, der dem Kanzler „Flachheit und Wurzellosigkeit“und ein „charakterloses Regiment“ vorwarf.

Die aktuelle Ausstellung „Revolution von oben“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall versucht nun, ein differenziertes Bild über einen der bedeutendsten Politiker Preußens zu vermitteln. Im Rahmen der Ausstellung wird am morgigen Mittwoch der Autor Ingo Hermann im Kutschstall zu einer Podiumsdiskussion erwartet. Zusammen mit Thomas Stamm-Kuhlmann von der Universität Greifswald und Gerd Gebhardt, Physiker für Wandlungsdynamik, will er „Über die Rolle des Staates und seiner Bewohner zwischen preußischer Administration und demokratischer Öffentlichkeit“ sprechen.

Vor sieben Jahren hat Hermann im Berliner Siedler Verlag die Biografie „Hardenberg. Der Reformkanzler“ veröffentlicht. Und jedem, der die Ausstellung im Kutschstall besuchen will und sich bei der Erwähnung des Namens Hardenberg und der gleichnamigen Reformen nur noch dunkel an den frühen Geschichtsunterricht erinnern kann, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Herman konnte für „Hadenberg. Der Reformkanzler“ nicht nur auf alle seit der Wiedervereinigung offen stehende Archive, sondern auch auf die im Jahr 2000 herausgegebenen Tagebücher und autobiografischen Aufzeichnungen Hardenbergs zurückgreifen. So ist eine Biografie über den Reformer entstanden, der versuchte, Preußen Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem mustergütligen Staat zu formen, die nicht nur vorbildlich den persönlichen Weg Hardenbergs bis ins höchste Staatsamt nachzeichnet, sondern auch die politischen Konstellationen im damaligen Europa beschreibt.

Hermann erzählt auch von den Liebschaften Hardenbergs, vor allem aber von dem gerissen und weit blickenden Strippenzieher preußischer und europäischer Politik, dem bei all seiner scheinbaren Macht als Staatskanzler doch immer die Hände gebunden blieben. Der Hardenberg, den Hermann dem Leser näher bringt, ist ein Mensch mit zahlreichen Facetten und ein Politiker, der nicht einfach nur „halb Fuchs“ war. Hermann zeigt auch auf, wie aktuell dieser „Reformkanzler“ noch heute sein kann, wenn er in seinem Fazit schreibt: „Hardenberg war weit davon entfernt, ein Verwaltungsfetischist oder Bürovorsteher des Königreichs Preußen zu sein. Er war vielmehr der erste moderne Politiker im Deutschland seiner Zeit und ein Visionär der Demokratie, der aber realistisch genug war, die ,reine Demokratie dem Jahr 2440 zu überlassen’“.

Die Podiumsdiskussion „Hardenberg und wir. Revolution von oben – Reform von unten? Über die Rolle des Staates und seiner Bewohner zwischen preußischer Administration und demokratischer Öffentlichkeit“ findet am morgigen Mittwoch, 19 Uhr, im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt, statt. Der Eintritt kostet 3 Euro. Ingo Hermanns „Hardenberg. Der Reformkanzler“ ist im Berliner Siedler Verlag erschienen und kostet 24,90 €.

Dirk Becker

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