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Kultur: Die alle Räume sprengen

Die Künstler im Rechenzentrum haben sich eingelebt – und drängen mit ihren Arbeiten nach außen

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Wo immer noch der Astronaut schwerelos auf seiner Rakete durch das Weltall gleitet, startet nun zum zweiten Mal die Kunst. In die beiden oberen Etagen des ehemaligen Rechenzentrums – mit dem „Der Mensch bezwingt den Kosmos“-Mosaik an der Außenmauer – sind inzwischen allerlei Kreative eingezogen. Und die basteln derzeit an ihrem ganz eigenen Kosmos. Abgeschlossen, klein – kurz: ein Mikrokosmos – soll es nicht sein.

Gegenwärtig zeigen die Künstler in Ausstellungsräumen im Erdgeschoss ihre Bilder: Ölbilder, Zeichnungen. Eine weitgehend entkleidete Frau von Otmar Kern räkelt sich zwischen Plüschtieren. Florale Formen von Jeanne Finsterbusch ziehen den Betrachter mit gestischem Duktus und offenkundiger Lust an der Malerei in ihren Bann. Aber das Haus hat noch mehr zu bieten. Viele verschiedene Künstler haben sich zusammengefunden und den Bau neu belebt.

Die Mietverträge sind, das ist bekannt, befristet: Am 31. August 2018 ist offiziell Schluss mit der Zwischennutzung. Grund ist die in Aussicht genommene Wiedererrichtung der Garnisonskirche, auf deren Gelände sich das ehemalige Rechenzentrum befindet.

So ganz vorbei ist die Datenschaufelei im Rechenzentrum aber noch nicht. In der ersten und der zweiten Etage arbeitet der Zentrale IT-Dienstleister des Landes Brandenburg, sagt der Künstler Stefan Pietryga bei einer Führung durch das Gebäude am vergangenen Dienstagabend. Anja Engel vom Sozialpädagogischen Institut (SPI) verwaltet hingegen die Kreativ-Etagen. „Die Mischung ist uns wichtig“, so Engel. Die Künstler sollten nicht beziehungslos nebeneinander in getrennten Ateliers arbeiten, sondern das Haus mit einem gemeinsamen kreativen Geist erfüllen und so auch an die Öffentlichkeit treten. Etwa am 8. Mai, dem Tag der offenen Ateliers. Das Rechenzentrum wird diesen – stadtweit stattfindenden Tag – in diesem Jahr eröffnen. Weil es der jüngste Kreativort ist – und vielleicht auch, weil alleine hier über 40 Ateliers besucht werden können.

Aber wie viel Geist passt hier in diese niedrigen Räume, die – für Künstlerateliers – eher klein sind. Sie eignen sich jedenfalls, um größere Projekte vorzubereiten. Das hat Stefan Pietryga herausgefunden. „Ich war von Anfang an dabei und habe mir hier im vierten Stock dann auch gute Räume ausgesucht“, sagt der Bildhauer. Eigentlich habe er gelernt, Metall zu bearbeiten, aber das Material, mit dem er aktuell am liebsten arbeite, sei Holz. Vor dem Rechenzentrum steht jetzt eine seiner schlanken hohen Säulen in strahlendem Blau. „Die wird auch in Tianjin, dem Hafen von Peking, aufgestellt, aber in viel größer“, sagt Pietryga. Und nicht in Blau. Eine hoch aufragende goldene Säule wird es sein, die ab Mitte Mai dort steht, der Stadt übergeben vom Künstler, der in den nächsten Tagen von Potsdam nach China fliegt. Die Skulptur ist nur eines von vielen Großprojekten, mit denen Pietryga weltweit unterwegs ist.

In seinem Atelier steht die Nachbildung der Statue von Friedrich Wilhelm August von Steuben – die als einzige noch vor DDR-Zeiten in Potsdam installierte Statue auch den demokratischen Sozialismus überlebte. Der preußische Offizier und amerikanische General kämpfte im amerikanischen Bürgerkrieg an der Seite George Washingtons und wird in New York mit einer regelmäßigen Parade geehrt. Hierzu schafft Pietryga ein Abbild ähnlich der Statue aus Potsdam, das in den Vereinigten Staaten stehen wird.

Aber es sind auch Tonkünstler in das Haus eingezogen. Mandy Fox ist eine weit gereiste Journalistin, die sich auf Asien spezialisiert hat. „Das ist hier alles noch nicht fertig“, erklärt sie die Bretter und Schaumstoffteile, die in ihrem Atelier stehen. Sie baue gerade an einer Sprecherkabine, um in dem Haus ihre Features für Radiosender selbst sprechen und schneiden zu können.

So klein die Ateliers auch sein mögen – an Sendungsbewusstsein mangelt es den Künstlern und Kreativen bislang nicht. Richard Rabensaat

Die aktuelle Ausstellung ist bis zum 24. April immer donnerstags, 15 bis 20 Uhr, und sonntags, 15 bis 18 Uhr, zu sehen.

Richard Rabensaat

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