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Kultur: Die bayerischen Hofnarren

Blumentopf begeisterten am Freitag im vollen Lindenpark

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Schön, wenn man Ziele im Leben hat. Die vier Reimebastler von bayerischen Blumentopf und ihr DJ Sepalot formulieren sie auf ihrer aktuellen Scheibe „Musikmaschine“ folgendermaßen: „Ich würd“ so gern mal zwischen Scooter und Mariah Carey auf Platz 80 sein.“ Blöd nur: Ziel verfehlt! „Horst“ – die erste Singleauskopplung aus dem neuen Album – stieg auf Platz 68 ein, der Longplayer „Musikmaschine“ gar auf Platz 7 – so macht Scheitern Spaß.

Seit über zehn Jahren in Sachen Hip Hop unterwegs, hat der Topf auch in diesem Jahr nicht vergessen, Potsdam in den Tourplan aufzunehmen. Die Kopfnicker der Landeshauptstadt freut es und sie erschienen am Freitag zahlreich, um zu schauen, zu hören und zu den Beats zu tanzen, die diesmal durch eine Band verstärkt wurden.

Unter einer überdimensionalen, kreisenden Königskrone wartet das Lindenpark-Volk auf die fünf Monarchen aus München. Moment, der „King of Rap“ ist doch King Kool Savas? Dann ist Blumentopf halt der Hofnarr und der ist meist eh unterhaltsamer und beliebter beim Volk als der König. Der pumpende Bass, den DJ Sepalot aus der Vinyl-Rille befreit, bläst die Lunge auf und schon bei den ersten Songs ist die freundliche Übernahme durch die Münchner geglückt: Die Reihen sind in Bewegung, bekappte Köpfe nicken und der Pulk tanzt und springt.

Viele Songs von den ersten beiden Alben „Kein Zufall“ und „Großes Kino“ haben es auf die Setlist geschafft. Im Gegensatz zur letzten Tour, bei der „Gern geschehen“ im Vordergrund stand. In Potsdam bekommen die Fans neben den Songs aus der frisch auf die Welt losgelassenen „Musikmaschine“ aber auch den Old School–Topf. So bahnen sich „Mach was“ und „Was der Handel?“ den Weg durch den Gehörgang und lösen in den Beinen euphorische Tanzlust aus. Auch die tragische Geschichte des tödlichen Boygroup-Fanatismus „6 Meter 90“ wird vom Publikum lippensynchron mitgerappt.

Irgendwann darf dann auch die angekündigte Live-Band ran und die Beats aus der Dose mit frisch aus Schlagzeug, Gitarre und Bass geernteter Musik verstärken. Das klappt besonders gut bei Songs, die aufgrund ihrer flachen Samples auf dem Album relativ drucklos daherkommen und nun wie die rastlose Nachtgestalt bei „Die City schläft“ in Bewegung kommen.

Der Ofen läuft heiß, aber der Topf hört nicht auf, zündendes Brennmaterial wie „Party Safari“ und „Mein Block“ hinterherzuschmeißen. Um die Saufhymne „Chin Chin“ glaubhaft zu gestalten, wird schnell eine Flasche Wodka hervorgeholt und ein kräftiger Schluck genommen – Posen, die Blumentopf nicht nötig hätte.

Begeisterung und wahrscheinlich etwas Neid vom Hip-Hop-Nachwuchs stellt sich bei den ausgedehnten Freestyle-Einschüben ein. Besonders Hollunder ist nicht vom Mic zu trennen und scheint seine spontanen Geschichten endlos fortspinnen zu können.

Erst nach Mitternacht und mehreren Zugaben geben sich die Fans endlich zufrieden. Vor dem Lindenpark laufen dann mehrere inoffizielle After-Show-Parties mit Blumentopf-Musik aus einem halben Dutzend Autoboxen.

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