zum Hauptinhalt

Kultur: „Die Bereitschaft der Bürger ist da“

Vereinsideen zur Kulturhauptstadt-Bewerbung

Stand:

Vereinsideen zur Kulturhauptstadt-Bewerbung Manchmal sind Visionen derart klotzig, dass man darüber das scheinbar Geringste vergisst: Die vielen Potsdamer Vereine, von „Berliner Vorstadt“ über Il Ponte bis zum Böhmischen Dorf Nowawes’, fanden sich jedenfalls in Moritz van Dülmens offiziellem Bewerbungsbuch zur Kulturhauptstadt 2010 als letzte aufgelistet. Dabei machen sie die wichtige Arbeit vor Ort, organisieren Veranstaltungen, mobilisieren Bürger. Ohne sie, das ist klar, wird es eh’ nix mit „Zwanzig=Zehn“. Das sah man nun ein, und organisierte im Alten Rathaus ein Podiumsgespräch, darin der städtisch bestallte Promotor dieses neuen Potsdamer Abenteuers, Moritz van Dülmen, auf sechs Vereins-Chefs  und ihre Ideen zum Thema „Kulturhauptstadt“ traf. Jeder trug eigene Vorstellungen vor, indes Dieter Weirauch als Moderator dafür sorgte, dass sich der Hauptvermarkter künftiger Geschicke gleich im Anschluss dazu räusperte. Während seine Visionen auffällig und allgemein mit denen des Großen Kurfürsten, Einsteins und der Traumindustrie auf dem UFA-Gelände übereinstimmten, blieben die Vorschläge seiner künftigen Partner in dieser „Auftaktveranstaltung“ konkret und wohltuend praktikabel, sie kennen sich eben aus. Stephan Flade weiß aus den Erfahrungen von „250 Jahre Babelsberg“, BUGA und 1000-Jahrfeier, wie wichtig „Nachhaltigkeit“ ist. Man solle Dinge machen, die Potsdam als „Stadt der vier Nationen insgesamt weiterbringen“. Nur durch „hohem Anteil an Mitbeteiligung“, z.B. als Quartiergeber, könnte werden, was erst 2006 beschlossene Sache ist, „sonst laufen wir aneinander vorbei“. Er setzte auf Stadtteil-Arbeit, schlug, wie schon zur BUGA, ein „Zelt der Begegnungen“ vor und regte Sprachunterricht in Niederländisch, Schwyzzer-Deutsch und Italienisch an den Schulen an, was nicht unwidersprochen blieb: Welche Unterrichtsstufe müsste sich denn für 2010 präparieren? Nowawes schließlich, so der Pfarrer, könnte als Alternative zur höfischen Kultur Sanssouci’s dargestellt werden. Zahnarzt Peter Daniel (Verein Berliner Vorstadt) hat 2010 noch nicht im Blick, setzt aber auf den klassischen Dreischritt: Kultur vermitteln, Kultur fördern, Kultur bewahren. Er träumt von einer „Perlenschnur am Jungfernsee“ als Wanderpfad durch Potsdams Geschichte, von der Brücke der Einheit bis zur Villa Puttmann. Zugleich möchte er historische Privatgärten wie den am Hause Kampmeier rekonstruiert sehen. „Die Bereitschaft der Bürger ist da“. Ähnlich sieht es Christian Wendland (Verein zur Pflege der niederländischen Kultur): Vom Holländischen Viertel über Nowawes bis zum „Schweizerhaus“ ließen sich Häuser mit Museums-Charakter einrichten, darin die Besucher Potsdams Geschichte erführen. Freilich könnten das die Vereine allein nicht tragen – woraus die sinnvolle Frage erwuchs, ob der Gedanke „2010“ bereits in die Stadtverwaltung eingedrungen sei. Van Dülmen, der in üblicher Rhetorik immerhin einräumte, selbst bei einer Ablehnung Potsdams seien die bisherigen Schritte nicht vergeblich gewesen, bezeichnete seine Zusammenarbeit mit dem Rathaus als gut. Siegfried Benn im Parkett war in Sachen Rekonstruktion des Stadtkanals („keinen Ansprechpartner“) ganz anderer Meinung: Weil die Stadt einen längst zugesagten Vertrag nicht unterschreibt, müsse er nun gesponserte Gelder zurückzahlen; peinlich für’s Rathaus – oder gewollt? Peter Rieger (Potsdamer SC) möchte die Sportler der Stadt als „Botschafter“ von „Zwanzig=Zehn“ seh’n, Inselgärtner Jörg Näthe setzte sich für den Status quo der Freundschaftsinsel ein: „In Gärten verstehen sich die Menschen besonders gut“. Il Ponte schliesslich regte an, das Umland stärker einzubeziehen und vorab alle Partnerstädte zur gemeinsamen Ideenfindung an einen Tisch zu bringen – „Dialog ist das Wichtigste“, sagte Marie-Luise Döring  in ihrem Part. Weitere Vorschläge wie die Einbeziehung der Potsdamer Brücken „zum Flanieren“ und „Royal Luise’s“ Auftritt zu Wasser beflügelten die Fantasie des vielköpfigen Publikums offenbar mehr als Moritz van Dülmen. Er wahrte die dialogische Hierarchie: „Kommen Sie auf mich zu, wenn Sie Ideen haben“, rief er ungeschickt in die Runde. Nanu, hatte er denn nicht zugehört? Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })