
© Manfred Thomas
Von Klaus Büstrin: Die Beute der Sammler
„Kunst ohne König“ – Privates und öffentliches Sammeln in Potsdam / Eine Ausstellung im Kutschstall
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Kunstsammler, so hat es einmal der britische Kunsthistoriker Francis Haskell formuliert, erscheinen ihm sympathischer, je größer der historische Abstand zu ihnen ist. Ähnlich würde es sich beispielsweise mit dem berühmten Herzensbrecher und Fraueneroberer Casanova verhalten: „Im Lauf der Zeit verlieren sich die vielleicht weniger schönen Züge ihres Wirkens. Abgekoppelt von den konkreten Begleitumständen, bietet sich ihr Lebenswerk der Nachwelt zur Verklärung an. Beide, die Kunstsammler wie die Herzensbrecher, werden dann vor allem wegen ihres Geschmacks gerühmt und wegen ihres Vermögens, die sie zu solch beeindruckender Beute befähigte.“
Staunend steht der Betrachter in der Ausstellung „ Kunst ohne König“. Sie wird vom Potsdam-Museum gemeinsam mit dem Potsdamer Kunstverein im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall veranstaltet. Man staunt, ob des reichen Kunstbesitzes von Bürgern. Sie trugen teilweise ein wirkliches Sammlungsvolumen zusammen.
„Kunst ohne König“ wird anlässlich des 100. Geburtstages der Gründung eines städtischen Museums in Potsdam am 20. April 1909 veranstaltet. Potsdamer Bürger nahmen die Einrichtung einer musealen Sammlung selbst in die Hand. Organisiert im 2. Potsdamer Kunstverein, der 1908 ins Leben gerufen wurde (einen ersten gab es bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts), haben sie mit ihren Privatsammlungen entscheidend zur Eröffnung eines Museums in Potsdam beigetragen: der Kunsthistoriker Paul Heiland mit seinen Fayencen und Ölskizzen des Landschaftsmalers Carl Gustav Wegener oder der Maler und Stadtpolitiker Fritz Rumpf. Er, der der erste Leiter des städtischen Museums war, übereignete dieser Einrichtung auch einige von ihm gemalte Bilder mit Potsdam-Motiven. Im Kutschstall sind treffliche Beispiele der geschenkten und gekauften Exponate zu sehen, auch die von Heinrich Basedow d. Ä., einem weiteren Museumsgründer. Die Italien-Reisemappe mit Grafiken des Potsdamer Architekten Ernst Ziller von 1862 gehört ebenfalls dazu. Die Präsentation von Aquarellen und Gemälden der Potsdamer Künstler Otto Heinrich und Hans Klohß sowie des Werderaner Landschaftsmalers Karl Hagemeister sind für die Sammlungstätigkeit des Museums in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts exemplarisch.
Auch einige Werke des Künstlers Siegwart Sprotte, der in Bornstedt und auf Sylt lebte, haben den Weg ins Museum gefunden. Seine Witwe, Cosmea Sprotte, hat erst unlängst dem Potsdam-Museum zwei Gemälde ihres Mannes geschenkt.
Dem öffentlichen Sammeln wird in der eindrucksvollen Ausstellung das private Sammeln gegenüber gestellt. Hierbei führte der 3. Potsdamer Kunstverein, der vor neun Jahren gegründet wurde, Regie. Doch eine umfassende Darstellung des privaten Sammelns in Potsdam kann im Kutschstall nicht gezeigt werden. Vielleicht hätte man die Präsentationen des öffentlichen und privaten Sammelns an zwei getrennten Orten veranstalten sollen. Denn hier bleibt für jede Sammlungstätigkeit wenig Platz, um dem Thema ganz gerecht zu werden. Es bleibt also weiterhin spannend, welch verborgene Schätze das Depot des Potsdam–Museums und die Bestände weiterer privater Sammler zukünftig für Ausstellungen bereithalten.
Der Potsdamer Kunstverein hat historische und gegenwärtige Sammler ausfindig gemacht und stellt sie mit ihren Sammlungsprofilen nun vor. Der bekannte Kinderarzt Herwig Hesse ist darunter, der vor allem Gemälde, Grafiken, Möbel und Bücher aus der Zeit Friedrich des Großen zusammentrug. Der Kunsthistoriker und Volkskundler Wilhelm Fraenger, aus dessen Sammlung unter anderen Grafiken von Hans Arp zu sehen sind. Nicht nur Künstler oder Wissenschaftler widmen sich dem Sammeln von Kunst, auch Menschen, von denen man es zunächst nicht erwartet. Ein wunderbares Beispiel ist Lieselotte Herrmann, die in Baumgartenbrück/Geltow ein Gasthaus besaß und eine kleine Heimatstube einrichtete. Maler, die die Landschaft des Schwielowsees porträtierten, hat sie ihr Eigen genannt.
Die heutigen Sammler bleiben anonym. Auch bei den meisten spürt man, dass ihre Kunstwerke nicht durch Zufall eines Ankaufs in ihren Besitz kamen. Er erfolgte wohl überlegt. Oftmals wird die Persönlichkeit des Besitzers erkennbar. Bei ihnen findet man zumeist Gegenwartskunst. Die Gemälde, Grafiken, Plastiken, Plakate, Exlibris oder Keramiken von Otto Niemeyer-Holstein, Gottfried Höfer, Stefan Plenkers, Fritz Cremer, Jürgen Böttcher-Strawalde, Thomas Virnich, Gerhard Lichtenfeld oder Mario Enke zeigen die Vielfalt künstlerischer Handschriften und Haltungen der einzelnen Besitzer. In der Ausstellung kann man die Kunstsammler wegen ihres Geschmacks rühmen, aber auch dass sie die Möglichkeit geben, Andere an ihrer „Beute“ teilhaben zu lassen.
Kunst ohne König – privates und öffentliches Sammeln in Potsdam, Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, bis 2. August, Di-Fr 10 bis 17 Uhr, Sa/So 10 bis 18 Uhr
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