Wanda und der Zauber des Austropop: Die Bitterkeit der Alpen
Potsdam/Wien - Ein bisschen Alpenidylle reicht natürlich nicht, um eine Band mit dem Prädikat Austropop zu versehen. Dazu bedarf es schon mehr.
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Potsdam/Wien - Ein bisschen Alpenidylle reicht natürlich nicht, um eine Band mit dem Prädikat Austropop zu versehen. Dazu bedarf es schon mehr. Verstecken müssen sich die südlichen Nachbarn musikalisch allerdings nicht, auch, wenn es bei manchen immer noch als blödes Schicksal gilt, ein Band-Leben im Schatten der Bundesrepublik zu fristen. Völlig zu Unrecht, denn Österreich ist musikalisch schon immer speziell gewesen – und damit ist eben nicht Volksmusik im Alpenglühen gemeint. Das haben wohl auch die Potsdamer begriffen, die derzeit freudig die Wiener Band Wanda erwarten, die am Samstag im Waschhaus spielt.
Woher aber kommt diese deutsche Austropop-Manie, die weit zurückreicht? Bereits in den 50er-Jahren feierte der österreichische Schlager ganz beachtliche Erfolge – besonders in der Wirtschaftswunder-BRD. Der Osten blieb damals freilich ein weißer Fleck auf der musikalischen Landkarte, der nur vereinzelt erreicht wurde. Kein Wunder, wenn das jetzt hier nachgeholt wird.
Damals also dudelten Udo Jürgens und Peter Alexander in den westdeutschen Wohnstuben. In den 70ern setzte sich auch der Dialekt musikalisch durch – ab hier spricht man offiziell von Austropop – mit Musikern wie Georg Danzer und Peter Cornelius. Mit dieser Renaissance kam auch das Dunkle, Morbide, das typisch Österreichische wieder zurück. Gerade die Wiener schienen es besonders garstig zu mögen, mit galligen, abgründigen Texten, wie sie etwa Georg Kreisler rezitierte: „Aber allein wie eine Mutterseele/So mach Revolution, dann ist sie deine!“ Aber auch Ludwig Hirsch, der sich sowohl mit morbiden Weltuntergangsballaden als auch mit verbittert-sarkastischen Texten, die er in melancholischer Musik verpackte, in die schattigen Herzen spielte: Sein Lied „Komm, großer schwarzer Vogel“ wurde vom österreichischen Sender Ö3 nach 22 Uhr nicht mehr gespielt – zu groß war die Angst der Verantwortlichen, dass einige Hörer Selbstmord begehen könnten. Den Selbstmord beging Hirsch 2011 dann selbst: Er stürzte sich aus dem Fenster eines Wiener Hospitals, als bei ihm Krebs diagnostiziert wurde.
Doch nicht immer war der Austropop so tiefschwarz: In den 80er-Jahren tauchte er in der Kluft des New Wave wieder auf, mit Gaga-Hits von Bands wie Erste Allgemeine Verunsicherung oder Falco, der mit „Der Kommissar“ selbst in Japan und Australien Top-Ten-Platzierungen erreichte. Austropop war mal wieder en vogue, und sollte es auch in den 90ern bleiben. Bis heute liefert Österreich zuverlässig musikalische Schmankerl, ob von Attwenger oder dem Hip-Hop-Duo Trackshittaz, die die Mundart auch gerappt über die Grenzen tragen.
Bekanntester Export ist derzeit jedoch Wanda, die mit „Bologna“ einen Ohrwurm kreierten und die der „Musikexpress“ die „vielleicht wichtigste Rock’n’Roll-Band unserer Generation“ nennt. Wobei der Wiener Zynismus ein wichtiges Kriterium zu sein scheint: Selbst wenn es um Liebe geht, guckt die Band auf deren Schattenseiten. Vielleicht hat Wanda ja das Potenzial, sich wie Falco ein musikalisches Denkmal zu setzen – dem exzentrischen Kanon der Alpenrepublik wäre das zu gönnen.
Wanda spielen am Samstag, dem 22. August, ab 21 Uhr in der Waschhaus-Arena in der Schiffbauergasse
Oliver Dietrich
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