
© Andreas Klaer
Von Almut Andreae: Die Blicklosigkeit der Frauen
Skulptur und Malerei von Karl Menzen und Evelyn Bauer in der Galerie am Neuen Palais
Stand:
Die Gegensätze könnten kaum größer sein. In der Galerie „Am Neuen Palais“ geben sich derzeit Karl Menzens aufstrebende Stahlskulpturen und Evelyn Bauers introvertierte Bilderwelten ein schwer harmonisierendes Stelldichein.
Von der Anzahl der Exponate her ist die Malerin dem Bildhauer haushoch überlegen. Rund 80 Bildern stehen etwa 30 Stahlskulpturen gegenüber. Am souveränsten angesichts der Bildermenge behaupten sich die beiden gut mannshohen, silbrig glänzenden Exemplare aus Edelstahl. Mit geschmeidiger Gebärde schwingen sie ihre eleganten Körper in den Raum. Karl Menzen, Stahlbildhauer aus Berlin-Neukölln, beherrscht sein Metier. Seine Skulptur besitzt eine Dynamik, die nie entfesselt ist, sondern eher kontrolliert und bis in die kleinste Regung sorgfältig durchdacht. Unabhängig vom Format entlockt Menzen dem Stahl immer neue Ausdrucksvarianten. Dabei wird das Material häufig geschnitten und gebogen, bis sich aus der Ursprungsform etwas ganz Neues ergibt. Als Betrachter vollzieht man, wenn man diese Skulpturen mit den Augen abtastet, unwillkürlich diesen Transformationsprozess noch einmal nach. Die Zwischenräume und Leerstellen, die durch das Beschneiden und Herausdrehen der geschnittenen Form entstehen, verstärken die Intensität im formalen Ausdruck. Die spürbare Freude daran, den Stahl immer neu zu bewegen, mündet bei Karl Menzen in eine klare Formensprache von geradezu zeitloser Ästhetik. Die Monumentalplastiken des gebürtigen Rheinland-Pfälzers beleben allein in Berlin zahlreiche Orte im öffentlichen Raum.
Mit diesen Skulpturen nun teilt sich in der Galerie am Neuen Palais eine große Fülle von Bildern der Malerin Evelyn Bauer den Raum und die Aufmerksamkeit des Galeriebesuchers. Wie Menzen hat die Künstlerin, die Galerist Jürgen Oswald bereits zum dritten Mal ausstellt, seinerzeit in Berlin studiert. Die damalige Meisterschülerin von Klaus Fußmann ist einer realistischen Malweise verpflichtet. Ihre Bilder jedoch driften ganz weit weg von einer realistischen Welt. Dinge des Alltags genauso wie Personen werden auf unwirkliche Weise miteinander in Szene gesetzt. Die Malerin arrangiert ihre Motive wie Spielfiguren. Zuweilen setzt sie noch eine dekorative Bildleiste drumherum. Diese Bilder, deren Entstehungszeitpunkt dem Ausstellungsbesucher verborgen bleibt, beschwören zu einem Großteil sehr konkrete Frauenbilder.
Beinahe jede dieser weiblichen Figuren wird früher oder später Teil eines gemalten Interieurs. Dergestalt sitzen sie auf Hockern, lagern auf Canapés oder bäuchlings auf Kissen. Oft sind die Frauen unbekleidet, nie erotisch. In ihrer Körperlichkeit, in ihrem ganzen Ausdruck wirken sie beinahe leblos, in jedem Falle teilnahmslos. Einmal abgesehen von diversen Attributen wie Seesternen, Muscheln, Stillleben und Tierfiguren sind diese Frauen immer allein. Auch das macht diese Bilder so trostlos, so bedrückend, zumal wenn sie in großer Zahl beieinander hängen.
Eine überschaubare Anzahl unterschiedlicher Frauentypen lieferte dieser gemalten Weiblichkeit spezifische und von der Künstlerin immer wieder aufgegriffene physiognomische Züge. Besonders oft begegnet in ihren Bildern eine zierliche mädchenhafte Frauengestalt. Frontal tritt sie dem Betrachter entgegen, mit großen Augen, deren Blick ins Leere geht, und stets ein Buch fest an die Brust gedrückt. Etwas Unwirkliches haftet dieser Gestalt an. Wie eine Erscheinung, die nicht abzuschütteln ist, geistert sie durch die Bilderwelt der Malerin. Die Blicklosigkeit der Frauen, die sich in manchen Stillleben auf Augenhöhe mit irgendwelchen Miniaturen wiederfinden, unterstreicht die Melancholie, die auf sämtlichen Bildern lastet. Diese blutarmen, zu Posen erstarrten Frauen fristen als vereinsamte Akte – mit oder Beisein aufgeklappter Muscheln, Figürchen und Früchte – ein freudloses Dasein. Die symbolisch verschlüsselte Botschaft, die sich möglicherweise hinter diesen nicht eben leicht zugänglichen Arrangements verbirgt, bleibt, wie es aussieht, privat.
Die Ausstellung Am Neuen Palais 2A ist bis zum 4. Oktober, freitags bis sonntags, 13-18 Uhr, geöffnet
Almut Andreae
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