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Kultur: Die Diven im Visier
Jana Haase und ihr Weg zur Kabarettistin Lina Lärche / Am heutigen Donnerstag ist sie mit „Aus heiterem Himmel“ auf der „John Barnett“ zu erleben
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Da steht sie, 13 Jahre, zierlich, Mitte der 80er Jahre im Saal des Hennigsdorfer Klubhauses. Jana Haase wartet. Während sie wartet, flicht ihr Freund Ronny ihr Zöpfe. Das liebt er. Gleich beginnt der Ballettunterricht, doch vorher hat sie noch ihren Auftritt: Jana Haases ganz besonderer Liebling. Schon stolziert sie in die Turnhalle, die langen Haare umschmeicheln ihre Schultern, divenhaft steht sie da, jeder soll erkennen: Sie nimmt sich sehr ernst und die Hauptrollen in den Ballettaufführungen sind ihr stets sicher. Doch das Mädchen ist sehr korpulent, passt nicht in das Klischee der Ballerina. Hinter vorgehaltener Hand sagt Jana Haase leise: „Ach, da kommt der Donnerbalken.“ Nur Ronny lacht herzlich. Die anderen können mit ihrem Humor nichts anfangen.
26 Jahre später beherrscht Jana Haase immer noch die Gestik und Mimik ihres ganz besonderen Lieblings „Donnerbalken“. Mit ihrer linken Hand ahmt sie die Bewegung nach, wie sie die langen Haare theatral nach hinten warf. Solche Eigenschaften von Menschen, die sich selbst zu ernst nehmen, konnte Jana Haase schon damals erkennen und auf ihre eigene, humorvolle Weise offenlegen. Doch sie konnte auch anders. In der Schule und zu Hause war sie ein sehr schüchternes Mädchen, wirkte gegenüber Autoritäten zurückhaltend. Die ruhige Seite gehörte genauso zu ihr, wie die flippige, die sie vor allem abseits von zu Hause auslebte. In den Ferien hat sie alle unterhalten, hat sich Lieder ausgedacht und eine eigene Choreographie dazu entwickelt. „Ich war schon immer eine kleine Witzkanone“ sagt Jana Haase und lacht laut.
Heute steht die 39-jährige Potsdamerin als Kabarettistin Lina Lärche auf der Bühne, unter anderem im Schiffsrestaurant John Barnett, wo am heutigen Donnerstag ihr Programm „Aus heiterem Himmel“ Premiere hat. Ihr Talent, den Blick für das Komische an den Menschen und das Komische des Alltäglichen zu schärfen und diese Eigenarten zu karikieren hat Jana Haase zum Beruf gemacht. Bei den Diven ist sie hängengeblieben. Nur mit dem Unterschied, dass sie sich heute wahren Diven annimmt. Mit viel Witz und Ironie nimmt sie diese Damen aufs Korn. Lieder von Edith Piaf und Hildegard Knef singt sie, persifliert sie mit übertriebener Gestik und Mimik, dichtet die Texte um und steigert sie damit ins Humorvolle. Mit knallbunter Kleidung, schönen Stoffen und farbigen Lichteffekten spielt Jana Haase gern bei ihren Bühnenprogrammen. Ihr Gesicht kann sie tausendfach verwandeln, ihre Bewegungen auf der Bühne wirken ausladend, groß, übertrieben.
Von bunter Kleidung und ausgefallenen Stoffen ist beim Gespräch mit Jana Haase nichts zu erkennen. Die große, immer noch zierliche Frau trägt eine graue Stoffhose, ein schwarzes Sweatshirt, einen grauen Pullover um die Schultern gelegt und ein schwarz-graues Tuch um den Hals gebunden. Fröhlich und ausgelassen ist sie. Lachfalten umrahmen ihre dunkelbraunen Augen. Zwischen die mittellangen, zurückgesteckten braunen Haare mischen sich einige graue.
An ihre unbeschwerte und verrückte Kindheit, wie sie sie nennt, erinnert sich Jana Haase noch sehr gut. In Hennigsdorf, nahe Berlin, ist sie mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen. Sie hat sich ab und zu gekloppt, so gar nicht divenhaft, auch mit ihren älteren Brüdern. „Da ging es schon sehr zur Sache und es wurde immer sehr konkret.“ Mit sechs Jahren dann ihr erster Ballettunterricht. Doch schnell merkt sie, dass ihr das zu spießig ist. Sie macht weiter, aber nach ihrer Facon, nicht in vorgeschriebenen Choreographien. Abseits vom Ballettunterricht entwickelt sie ihre eigenen Tanzschritte. Mit neun Jahren entdeckt Jana Haase die Leichtathletik, mit zwölf das Schneidern. Sich auf eine Sache zu beschränken, das ist ihr zu eintönig und einengend. So auch beim Studium. Kunst, Russisch und Anglistik auf Lehramt stehen auf ihrem Lehrplan in Dresden, und zusätzlich in Potsdam Sport.
In dieser Zeit spürt Jana Haase immer stärker, dass das Darstellerische in ihr raus muss. Jana Haase unterhält ihre Mitstudenten, macht Witze. Irgendetwas brodelt da in ihr. Sie hat das Gefühl, studieren und anschließend ein Leben lang als Lehrerin zu arbeiten, das kann es nicht sein. Jana Haase braucht die Bühne. Sie entscheidet sich für eine Gesangsausbildung an der Musikhochschule in Dresden, parallel zum Studium. Mit komischen Atemübungen, die eher an Geburtsvorbereitungskurse erinnern und lächerlichen „LaLeLiLoLu“-Einsingübungen kann sie im ersten Moment nichts anfangen. Im zweiten schon. Sie nutzt sie für ihre ersten Versuche als Kabarettistin. Sie persifliert den Gesangslehrer samt Übungen vor einer Studienkollegin im Wohnheim. Die amüsiert sich köstlich. Und Jana Haase entscheidet sich, von nun an auch noch Unterricht bei einem Kabarettisten zu nehmen. Bis sie schließlich vor zehn Jahren ihre Leidenschaft zum Beruf macht.
Das Bodenständige aber hat sie sich bewahrt. Sie hat ihr Studium erfolgreich abgeschlossen, so ist Kabarett nicht ihr einziges Standbein. Sie arbeitet als Kunstpädagogin- und dozentin mit Kindern und Erwachsenen. Gerade diese Arbeit erdet Jana Haase. Sie habe die richtige, für sie stimmige Mischung gefunden, sagt Jana Haase. Das Bedürfnis sich irgendwo einsortieren zu müssen verspüre sie nicht.
An ihrem Weg als Darstellerin, als „singende Komödiantin“, wie Jana Haase ihren Beruf gerne beschreibt, hat sie nie gezweifelt. Und auch die Menschen in ihrem Umfeld haben ihr stets Mut zugesprochen ihren Weg als Kabarettistin zu gehen, obwohl sie keine klassische Schauspielausbildung absolviert hat. Die ist auch gar nicht notwendig, um eine gute Komödiantin zu sein, findet Jana Haase. „Dazu gehört eine gewisse Grundveranlagung. Man muss Menschen beobachten und deren Verhalten humorvoll wiedergeben können. Zur Komödiantin gehört aber auch das Talent, sich nicht immer allzu wichtig zu nehmen und den Mut, sich selbst mal hopp nehmen zu können.“
Mal ganz undivenhaft, ernsthaft und melancholisch erleben sie nur engste Freunde. Bei ihnen kann sie sein, wie sie möchte. Ihre beste Freundin ist gleichzeitig ihre größte Kritikerin was die Texte für die Programme angeht. Auf die Frage, ob ihr die Freunde wichtiger sind, als ihre Familie antwortet sie schnell und bestimmt mit einem „Ja“. Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Meine Freunde sind meine Familie.“
Zur Zeit ist Jana Haase auf der Suche nach einem Duettpartner. Sie merkt, dass ein Soloauftritt einfach auch anstrengend ist. So verkörpert sie in „Aus heiterem Himmel“ gleich mehrere Diven, die in einem neu eröffneten Revuetheater einer arbeitslosen Stewardess auftreten. Aber bei all den Anstrengungen ist da immer auch eine gewisse Freiheit. Oder wie Jana Haase sagt: „Immer schön bunt bleiben.“
„Aus heiterem Himmel“ am heutigen Donnerstag, 20 Uhr, im Schiffsrestaurant John Barnett in der Schiffbauergasse. Der Eintritt ist frei
Anna-Maria Kunath
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