Kultur: Die Dummheit der Männer reicht nicht
Sabine Michel mit ihrem Debütfilm „Nimm Dir Dein Leben“ in den Babelsberger Thalia Arthouse Kinos
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Sie hat viel versucht. Schließlich ist das ihr erster Film gewesen. Und dass manche Bilder, manche Szene in „Nimm Dir Dein Leben“ drastisch sind, nun ja, sagt Sabine Michel, das Leben ist eben drastisch.
Drastik ist nur die etwas derbere Spielform des Humors. Zu diesem Schluss konnte kommen, wer am Montagabend in den Babelsberger Thalia Arthouse Kinos Sabine Michels Debüt „Nimm Dir Dein Leben“ (2005) gesehen hat. Heimatfilm und Tragikomödie nennt im anschließenden Filmgespräch Katharina Riedel, Vorsitzende des Filmverbandes Brandenburg, die Arbeit der jungen Regisseurin. Einer der Besucher sagt, dass ihn die wunderbaren Bilder begeistert haben, die „abseitige Geschichte“ weniger. Nach einer kurzen Diskussion mit der 34-jährigen Sabine Michel, die an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg Regie studiert hat, sagt er gar, dass der Film mit seinem Thema letztendlich vergeudete Zeit gewesen sei. Ganz so schlimm war es nun auch wieder nicht.
Vielleicht sollte man „Nimm Dir Dein Leben“ einen Patchworkfilm nennen. Sabine Michel tut es, indirekt. Die Grundidee sei eine Wette zwischen zwei Frauen gewesen, wer von beiden wohl den dümmsten Mann hat.
Es ist eine Schlüsselszene in dem Film, wenn Marlies (Marie Gruber) zum Bauernjungen Milan (Sebastian Urzendowsky) sagt, dass es nichts Dümmeres auf der Welt gäbe, als einen erwachsenen Mann und er sich ruhig noch Zeit lassen solle mit dem Wachsen. Kurz darauf entspinnt sich ein Streit mit ihrer Nachbarin Doris, welche von beiden denn nun den dümmsten Mann habe und es kommt zu besagter Wette. Deren Männer Manfred (Udo Kroschwald) und Kurt (Falk Rockstroh) sind ein Herz und eine Seele und was ihre geistigen Leistungen anbetrifft, so kann sich der Zuschauer darüber nur köstlich amüsieren. Doch für einen guten Film allein reicht das nicht, zumindest glaubten das Sabine Michel und ihr Drehbuchautor Thomas Wendrich. Und so haben sie „Nimm Dir Dein Leben“ um einige Themen mehr angereichert.
Milans Vater (Peter Kurth) ist ein Säufer, geplagt von der Erinnerung an seine tote Frau. Als der Pole Krystoph in das Dorf Dunkelhäuser kommt und sich dort das Leben nimmt, ist es mit der trügerischen Idylle der Lebenskünstler in diesem verwaisten Landstrich dahin. Agnieszka kommt auf der Suche nach Krystoph ins Dorf und verdreht Milan den Kopf. Auch sein Vater wird durch ihren Anblick von Erinnerungen heimgesucht, die ein dunkles Geheimnis von Dunkelhäuser offenbaren. Zum Ende hin schlägt die ohnehin schon etwas bizarre Handlung noch ein paar kräftige Kapriolen. Milan erfährt durch Agnieszka, was Liebe ist. Natürlich inklusive romantisierender Sexszenen in der Ruine einer Kapelle. Sein Vater ist kurz zuvor ums Leben gekommen, erstickt an Rinderkot, ein indirekter Vatermord. Und weil Agnieszka wie eine Wiedergeburt von Milans Mutter aussieht, wundert man sich, dass im anschließenden Filmgespräch nicht dieses verkappte Ödipusthema aufgegriffen wird. Doch „Nimm Dir Dein Leben“ bietet genug Gesprächsstoff, so dass man sich nicht auch noch über Gestalten der griechischen Mythologie unterhalten muss. Ist sowieso schon viel zu lange her.
„Nimm Dir Dein Leben“ hat mit der Situationsbeschreibung eines sich leerenden Landes, wie es ein Zuschauer nennt, genug aktuelle Bezüge. Sie wollte keine ernste Trauerarbeit zeigen, sagt Sabine Michel. Mit Humor und Visionen wollte sie einem scheinbar hoffnungslosen Zustand in einer aussterbenden Region beikommen. Dabei habe sie Realität mit Märchen verbunden, wo drastische Szenen durch naturromantische Bilder aufgefangen werden. Sabine Michel hat viel gewollt in ihrem Debütfilm. Nur bleibt nach 93 Minuten das Gefühl, viel Oberflächliches, aber wenig in die Tiefe gehendes gesehen zu haben. Dirk Becker
Dirk Becker
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