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Kann das weg? Ja und nein. Dan Peterman macht Minimal Art aus dem, was andere wegwerfen. Der Archäologe des Plastiks hat sogar ein eigenes Archiv für gepressten Abfall entworfen.

© Dan Peterman

Kultur: Die dunkle Seite des Plastiks

Der US-Künstler Dan Peterman ist zu Gast am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

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Muss Kunst wehtun? Klar, irgendwie schon, wenn sie Wucht entfalten, wenn sie mehr sein soll als Dekoration. Was sicher nicht wehtun sollte, ist ihre Vermittlung. Sonst gehen – wie am Dienstagabend – die guten Ideen mit der Geduld des Publikums verloren. Der Kunstraum des Waschhauses hatte den US-Künstler Dan Peterman zum Gespräch eingeladen, der derzeit als „Artist in Residence“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu Gast ist.

Peterman beschäftigt sich in seinen Arbeiten, die zur Strömung der Minimal Art zählen, mit den Folgen der Überproduktion, mit dem, was vom bunten Spaß am Plastik übrig bleibt. Und mit dem Klimawandel. Insofern passte es, dass der Kunstraum den Vortrag statt in den luftigen Räumen im Erdgeschoss in die stickige obere Etage stattfinden ließ. Quasi als kleine Einstimmung auf das, was der Erde blüht.

Dabei lohnt es sich, Peterman zuzuhören – alleine vom Hinsehen lassen sich Arbeiten der Minimal Art ja ohnehin nie entschlüsseln. Kurz zusammengefasst sind das oft die Werke, bei denen Besucher sich oft fragen: Ist das jetzt Baustoff, Zufall – oder doch Kunst? So wie die Stapel von schlichten Gipsplatten, die Peterman einst im Museum of Contemporary Art in Chicago ausstellte. Wie immer entfaltet auch diese Minimal Art ihre Schönheit erst durch Wissen: Die Platten sind eigentlich ein Schadstofffilter, den ein Kohlekraftwerk in Illinois nutzt, um den Schwefel nicht einfach in die Atmosphäre zu pusten. Hier ist somit die schiere Masse – genau eine Tonne – sichtbar gemacht, die sich sonst in der Luft über dem Bundesstaat verflüchtigt hätte. Als das Museum einen Neubau errichtete, verbaute es die Platten als in seiner Fassade und machte Petermans Arbeit somit auch für diejenigen sichtbar, die nicht den Schritt über die Schwelle gehen.

Peterman arbeitet aber mit Vorliebe im öffentlichen Raum, lässt seine Arbeiten mit der Umwelt interagieren. Etwa auf einer Mülldeponie in Südtirol.

Dort baute er einen kleinen Campingtisch und Klappstühle auf, organisierte Besucherführungen über die Halde, und ließ sein Publikum den Blick auf die Bergketten genießen – die der Alpen, und die die sich hier aus dem Zivilisationsüberschuss auftürmen. Nur wenn immer Neues produziert, Altes weggeworfen wird, lassen sich für die Konzerne schließlich die Gewinne immer weiter maximieren.

Dan Peterman unterwandert dieses Konzept, indem er aus Müll nicht nur Skulpturen, sondern auch Gebrauchsgegenstände schafft. Oder sollte man sagen: Gebrauchsplastiken? Denn wo ist da die Grenze zwischen Kunst und etwa den Skateboard-Rampen oder dem im Prinzip endlos erweiterbaren Tischmodul aus gepressten Abfällen, an dem die Menschen in Chicago an öffentlichen Plätzen picknicken? Oder dem öffentlichen Tanzboden, ein Areal, gepflastert mit Platten aus geschreddertem und gepresstem Plastik?

Noch diffuser wird die Grenze zwischen Kunst und Konzept, Design und sozialer Intervention in seinem Projekt „the building“. Das Gebäude, eine frühere Industriebrache, das zwischen dem Campus der University of Illinois, an der Peterman lehrt, und einem der ärmeren Viertel Chicagos liegt, hat er zu einem, nun ja, sozio-kulturellen Zentrum gemacht. Es gibt dort eine Fahrradwerkstatt, Gärten, einen Bauernmarkt, aber auch Konzerte und Ausstellungen.

Auf der anderen Seite geht er, der Archäologe des Plastiks, wie ihn die Moderatorin Bettina Klein vom Berliner Künstlerprogramm des DAAD, das seinen Aufenthalt am PIK organisiert hat, scherzhaft nannte, auch streng wissenschaftlich an die Sache mit dem Müll heran. So hat er eine ganze Bibliothek der verschiedenfarbigen Pressplatten entworfen, die – zufällig – entstehen, wenn Plastikmüll verpresst wird. So unspektakulär seine Skulpturen oft auf den ersten Blick aussehen – so gewichtig werden sie, wenn man um das weiß, was Peterman antreibt. Die riesigen Teppiche etwa, die sich in den Ozeanen aus den Plastikabfällen bilden. Alles Überlegungen, die doch ziemlich wehtun. Auf kluge Art.

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