
© Manfred Thomas
Kultur: Die Farben des Krieges
Dem niederländischen Maler, Bildhauer und Schriftsteller Armando sind zwei Ausstellungen im Potsdam Museum und im Kunstverein gewidmet
Stand:
Schwarz und Weiß sind seine Farben, dazwischen allerlei Abstufungen von Weiß und Grau, mit kräftigen Hieben auf die Leinwand gesetzt. Die Gemälde „Gefechtsfeld“, „Schuldige Landschaft“, „Monument für den Täter“ sind inzwischen Klassiker. Und dann eine Entdeckung: „Peintures Criminelles“, zwei Gemälde von 1956, schwarz-rote Farbgebirge, die sich jeder vordergründigen Interpretation entziehen. Zu sehen und zu entdecken ist all dies in der Ausstellung „Armando – Bruchstücke/Brokstukken“ im Potsdam Museum – in einer Kooperation mit dem Museum Chabot in Rotterdam, wo die Ausstellung bereits im Sommer 2015 als Beitrag zum 70. Jahrestag der Befreiung gezeigt worden war.
Der Krieg und Armando, das gehört zusammen, denn der 1929 in Amsterdam geborene und im Schatten des Durchgangslagers Kamp Amersfoort aufgewachsene Künstler kann seine Erinnerung nicht tilgen. Er ist kein Maler des Zweiten Weltkrieges, aber der Krieg, die Bedrohung, das Fragmentarische haben seine Bildsprache geprägt. In vier Räumen breitet das Museum Gemälde und Bronzeskulpturen aus – und knüpft Verbindungen zu Henk Chabot (1894-1949), dessen bedrohliche „Welle auf dem Strand“ von 1933 geradezu unheilverkündend wirkt, ein Bild mit viel Braun, Grau, Weiß und etwas Blau, das wunderbar zu Armandos 80 Jahre später entstandenem „Seestück 17-06-2013“ passt, in dem aus der schwarzen See weiße Strukturen auftauchen.
Eine Welt ohne Ausweg zeigt das gewaltige Schwarz-Weiß-Gemälde „Zaun, 26-02-1997“ mit zwei perspektivisch am Horizont aufeinander zulaufenden schwarzen Gittern. 16 Jahre später wieder ein Zaun-Bild, doch dieses Mal befindet sich der Zaun im Verfall. Die verwitterte Gitterstruktur erinnert an die hohlen grauen Häuserskelette in Aleppo, ein Beleg dafür, dass Armandos Kunst über dem konkreten Anlass steht und immer wieder neue Assoziationen zulässt.
So sieht man sein Bild „Fluchtversuch, 15-03-2003“ heute mit ganz anderen Augen – heftiges Rot auf Schwarz, ein Kadaver oder doch zwei gebückte Gestalten? Der Künstler überlässt es uns, die Antwort zu finden. Auf die Frage nach der Bedeutung des Fragmentarischen in seinem Werk entgegnete Armando nach einer Kunstpause: „Keine Ahnung“. Dieser Meister der Reduktion malt, weil er malen muss, und so wortkarg, wie er sich bei Interpretationsfragen gibt, sind auch seine Texte, von denen einige in der Ausstellung zu lesen sind. Die Niederländer kennen Armando mehr als Schriftsteller denn als Maler, aber er ist nicht das eine oder das andere, sondern das alles und noch viel mehr zusammen. „Ich bin ein Gesamtkunstwerk“, hat er einmal gesagt, davon zeugt auch der vierte Raum mit Büchern, Grafiken und Fotos aus seinem 86-jährigen Leben.
Wie kreativ der in der brandenburgischen Landeshauptstadt sowie in Amstelveen lebende Armando noch immer ist, zeigt auch eine Ausstellung mit aktuellen Arbeiten im Kunstverein Kunsthaus. Präsentiert werden Landschaften, Seestücke und Zeichnungen, es dominiert SchwarzWeiß, auch Rot taucht wieder auf, neuerdings sogar Grün. „Waldinneres“ heißen zwei Kompositionen in Grün, mit etwas Gelb, virtuos aufgetragene Farbbrocken. Man sieht die Leidenschaft des Malens, alles muss raus. Armando ist ungeduldig. Am liebsten würde er immer malen. Und dann sind sie doch wieder da, die Landschaften in Schwarz und Weiß, mit Graustufen, monumental, das größte 250 Zentimeter hoch und 200 breit: „Der Waldweg 3-11-15“. „Es gefällt mir am besten, eine tragische Landschaft“, sagt er versonnen auf seinem Stuhl im Gewimmel der Eröffnung. Und da ist er wieder, so ein unheilschwangerer Armando-Titel.
Seine Skulpturen sind wie seine Gemälde, kräftig, expressiv, massiv. „Der Krieger“ ziert seit August 2014 den „Walk of Modern Art“, den die Direktorin des Potsdam Museums, Jutta Götzmann, ins Leben gerufen hat, ein ambitionierter Skulpturenboulevard zwischen dem Alten Markt und der Schiffbauergasse. Über die Aufstellung des Kriegers zum Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkrieges kam Götzmann mit Jisca Bijlsma vom Chabot-Museum in Rotterdam in Kontakt, dessen prächtige Villa das Bombardement Rotterdams überlebt hat – ebenso wie das Alte Rathaus am Alten Markt, in dem das Potsdam Museum nun residiert. Mehr versöhnliche und produktive Symbolik geht nicht. Und es scheint, dass dies der Beginn weiterer Koproduktionen zwischen Potsdam und Rotterdam ist.
Die Ausstellung im Potsdam Museum, Alter Markt, ist bis zum 8. Mai geplant. Die Schau des Kunstvereins Kunsthaus, zu sehen im Ulanenweg 9, bis 10. April.
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