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Blick in die Ausstellung mit dem Reichsadler und Hakenkreuz aus der NS-Zeit, der bis 1949 den Hauteingang zierte.

© Manfred Thomas

Von Klaus Büstrin: Die Fassade ist alles

Ab heute in einer Ausstellung zu sehen: Das Alte Rathaus im Wandel der Zeit

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Der Alte Markt glich vor 1945 einer wunderbaren Theaterkulisse. In dieser Gestalt wird der Platz mit dem Wiederentstehen des Stadtschlosses sein Aussehen wohl weitgehend wieder bekommen. 1775 bemerkte ein Potsdam-Besucher: „Potsdam wird mehr und mehr zu einer Kulissenstadt. In den Hauptstraßen drängt sich ein Scheinpalast an den anderen Die Bequemlichkeit der Bürger gilt nichts, die Fassade ist alles.“

Auch das Alte Rathaus lebt von der Palastfassadenarchitektur. Darauf machte gestern Thomas Sander aufmerksam, der die Ausstellung „Das Alte Rathaus im Wandel der Zeit“ mit konzipierte. Das Potsdam-Museum, das 2012 ins Alte Rathaus nach einer umfassenden Neugestaltung einziehen wird, ist der Veranstalter der sehenswerten Exposition. Es ist das vierte Rathaus an dieser Stelle. Das jetzige Gebäude wurde von 1753 bis 1755 erbaut. Die Architekten Johann Boumann und Christian Ludwig Hildebrandt mussten sich nach den Ideen Friedrichs des Großen richten. Also entstand ein ganz und gar barocker Bau, der sich zu den Nachbarbauten – das Stadtschloß, der Palast Barberini, das Knobelsdorff-Haus oder die Ende des 18. Jahrhunderts abgebrannte Nikolaikirche, der Friedrich II. eine Schaufassade vorsetzte – kongenial arrangierte. Die Kupferstiche vom Alten Markt von Andreas Ludwig Krüger zeigen seine einstige barocke Pracht. Auch das Ölgemälde von Wilhelm Barth, das Anfang des 19. Jahrhunderts entstand, bekundet, dass der Alte Markt als wichtigster Platz der Stadt galt. Die Bilder gehören wie die gesamten Exponate zur Sammlung des Potsdam-Museums.

Seit 1755 residierte im Alten Rathaus der Bürgermeister. Auch die Stadtverwaltung hatte dort ihre Räume. Ab 1809 zogen die ersten frei gewählten Stadtverordneten ein. Das Haus erwies sich aber stets zu eng. Zunächst waren hier auch die Ratswaage untergebracht, Verkaufsräume, die Stadtkämmerei und bis 1875 das Gefängnis im Turm. 1909 wurde Platz für das neu gegründete Städtische Museum geschaffen, 1910 siedelte es in eine angemietete Privatwohnung in der Brauerstraße über. Die Magistratsarbeit fand auch in Räumen anderer Gebäude statt, so im Stadtschloss oder im Palast Barberini. 1913 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der eine Vergrößerung des Baus in Richtung Blücherplatz vorsah. 151 Architekten nahmen am Wettbewerb teil, der mit Ergebnissen aufwartete, die den wilhelminischen Repräsentationsstil bevorzugten. Der erste Weltkrieg verhinderte die Umgestaltung, bei der nur die barocke Fassade stehen bleiben sollte, auch des Knobelsdorff-Hauses.

Der Potsdamer Architekt Reinhold Mohr erhielt 1919 den Auftrag, einen großen Teil der Räume zum Sitz von Spar- Haupt- und Steuerkasse umzubauen. Entwürfe, Bauzeichnungen und Aquarelle geben über den Umgestaltungswillen Auskunft. Der Oberbürgermeister Potsdams hatte hier aber weiterhin sein Büro. Hans Friedrichs, der in der NS-Zeit die ehemalige Residenzstadt regierte, ließ über dem Haupteingang einen metallenen Adler mit einem Hakenkreuz anbringen. Das Rathaus wurde beim Bombenangriff am 13/14. April 1945 schwer zerstört. Der Adler ließ sich bis 1949 nicht verjagen. Der Maler und Grafiker Paul August und der Fotograf Max Baur haben das angeschlagene Gebäude dokumentarisch-künstlerisch auf Bilder gebannt.

Das Alte Rathaus sowie das Knobelsdorff-Haus entstanden 1966 als Kulturhaus „Hans Marchwitza“ neu. Ein Fries mit Fotografien erzählt von 40 Jahren vielfältiger Veranstaltungen und Begegnungen. Das heute Potsdam-Forum genannte Kulturhaus fusioniert ab Januar 2010 mit dem Potsdam-Museum, wie Direktorin Jutta Götzmann gestern mitteilte. Zunächst wird das Haus für die Umgestaltung geschlossen. Im Vorderhaus der Lindenstraße 54/55, im Haus der Demokratie, werden in der Übergangszeit Konzerte und Lesungen geboten. Ab 2012 wird das Haus wieder eröffnet. Ab dann wird ein neues Kapitel in der Geschichte des Barock-Gebäudes aufgeschlagen. Zunächst kann man sich aber in der Ausstellung über seine Zukunft informieren.

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