Kultur: Die Frau als Dienerin
Das Poetenpack machte aus „Der Widerspenstigen Zähmung“ eine unterhaltsame Komödie ohne Tiefgang
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Das Poetenpack machte aus „Der Widerspenstigen Zähmung“ eine unterhaltsame Komödie ohne Tiefgang Von Marion Hartig „Der Widerspenstigen Zähmung“ von William Shakespeare zählt zwar nicht zu den literarischen Glanzleistungen des englischen Dichters. Auf der Bühne aber feiert der komödiantische Machtkampf zwischen den Geschlechtern seit Jahrhunderten Erfolge. Das Thema ist ein Dauerbrenner. Und offensichtlich spricht das Thema auch die Potsdamer an. Fast 350 Zuschauer spazieren am Donnerstagabend mit Wolldecken, Wein und Käsehäppchen ausgerüstet zum Belvedere auf dem Pfingstberg, um die Premiere des Poetenpacks zu erleben. Als hätten sie geahnt, dass Verpflegung nötig sein könnte – die Aufführung dauert mit halbstündiger Pause fast dreieinhalb Stunden. Die allerdings schnell vorbeiflogen. Auf dem Programm steht Unterhaltung pur. Tiefsinn allerdings bleibt in der milden Sommernacht außen vor, dafür wird viel gelacht. Schon bei der Suche nach Sitzplätzen finden sich die Zuschauer mittendrin in der genialen Kulisse des Belvedere, das mit seinen Treppen, Seitenflügeltürmen und Pflanzen umrankten Hohlwegen eine ausschweifende Räumlichkeit schafft, wie sie in geschlossenen Häusern nie möglich wäre. Eine gute Entscheidung, ein einfaches Bühnenbild zu konstruieren und den Persiusbau für sich wirken zu lassen. Zwei Bänke stehen sich auf der Bühne gegenüber, in der Mitte ein weißes Gefäß, das nur einmal als Feuerstelle in Erscheinung tritt. Das Ensemble unter der Regie von Andreas Lüders hält sich an die komplette Version des Stücks, mit Rahmenhandlung, so wie das Spiel heutzutage gewöhnlich auf die Bühne gebracht wird. Noch im 18. und 19. Jahrhundert hatte man auf das Vorspiel verzichtet und die zahlreichen Verwicklungen der Geschichte auf ein nötiges Minimum reduziert. Das Poetenpack wagt sich nun an die komplizierte Ausgabe, das Spiel im Spiel, in dem der Säufer Schlau zur Belustigung des Herzogs als vornehmer Herr behandelt wird. Eine Schauspieltruppe führt den an der Nase herumgeführten Schlau das eigentliche Stück vor. Schlau (Lars Wild) erscheint, bevor der Vorhang von den Mauern des Belvedere fällt, auf der Bildfläche. Drei Krüge mit Bier in der Hand, wankt er durch die Zuschauermenge, zitiert Schiller, spricht den Mann in der weißen Hose an, dem er wohl missfalle. Ein Rotwein hier, ein provozierender Spruch da. Die Spanne der Publikumsreaktionen reicht von lautem Lachen bis zu aggressiven Sprüchen. Aber, auch wer seine Rolle nicht mochte, kann nicht umhin, sein gekonntes Hinübergleiten in das „Hauptspiel“ zu loben. Nach und nach treten die Charaktere auf die Bühne, der Lord, sein Diener, die nach einem Geld bringenden Engagement lechzende Schauspieltruppe. Stringent werden die Fäden der Geschichte gesponnen, sparsam und gelungen untermalt von Percussion, Saxophon und Trompete führt man in die Welt der Katharina (Andrea Brose) ein. Die älteste Tochter des Adeligen Baptista aus Padua kommt im grünen Kleid auf die Bühne. Schreiend, keifend und boshaft verschreckt sie die Hochzeitsbewerber der jüngeren, sanfteren, schöneren Schwester Bianca, die in mädchenhaftes, langes Rosa gehüllt erscheint. Zu Beginn des Abends spielt Bianca die Schwache, Schüchterne, aber aus unerklärten Gründen mutiert sie zur selbstbewussten, sogar kratzbürstigen Frau. Sie wird zum Gegenpol Katharinas. Diese wird wegen ihrer hohen Mitgift im Schnellverfahren mit dem Edelmann Petrucchio (Martin Molitor) verheiratet und zum unterwürfigen Weiblein verzogen. Mit Martin Molitor hat das Ensemble eine starke Persönlichkeit für den Petrucchio gewählt. Gut passt er in die Rolle des „Löwinnenbändigers“. Zwei starke Menschen stoßen zusammen und reiben sich spaßvoll aneinander, genießen den Disput mit ebenbürdigem Gegner. Bis Petrucchio zum totalen Despoten wird, sie in sein Haus verschleppt, ihr Nahrung und Schlaf verweigert. Schnell gibt Katharina das Aufbegehren auf. Zu schnell. Denn, ihr Wandel bleibt unverständlich, was geschieht in ihr, warum lässt sie sich so schnell zähmen? Zu wenig erfährt der Zuschauer über ihr Innenleben, während Petrucchio das Spiel mehr und mehr dominiert. Katharinas Plädoyer für die Frau als Dienerin des Mannes ist allein eine Fortsetzung ihres untertänigen Handelns, kein ironisch spitzer Kommentar, der die Rolle ihres „Herren“ ad absurdum führt. Der Mann hat hier ganz klar gewonnen, eine willenlose, gefügige Frau steht am Ende. Von ihrer anfänglichen Stärke bleibt nichts zurück. Stockdunkel ist es, als Katharina und Petrucchio sich glücklich umarmen. Dunkel bleiben auch die Motive der Figuren. Dem Kernstück des Spiels fehlt es an plausiblen Erklärungen für die Entwicklung der Figuren. So bleiben die dreieinhalb Stunden spannend und humorvoll inszenierte Unterhaltung. Mit Schauspielern, die Theater à la Commedia dell“arte präsentieren. Herausstechend ist Lars Wild in der Rolle des Säufers, denn: Mit Schlau kommt aktueller Bezug in das Stück, in Sprache und Inhalt. Er lockert gekonnt die Geschichte auf, erklärt, witzelt, stellt Fragen. Gut, dass das Poetenpack nicht auf das Vorspiel verzichtet hat.
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