Kultur: Die Frau mit den Kugelschreibergemälden
Susanne Ramolla ist die erste Potsdamerin, die in der Inter-Galerie ausstellt
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Susanne Ramolla ist im Schloss Wiepersdorf darauf gekommen. Im vergangenen Jahr. Vielleicht hat sie damals in ihrem Stipendiaten-Atelier gesessen und nachgedacht über ein neues Thema, über die Zukunft ihrer Kunst. Vielleicht war ihr Kopf aber auch ganz leer und sie hat ziellos mit dem Kugelschreiber auf einem genauso leeren Blatt gekritzelt. Das erzählt sie nicht so genau. Dabei herausgekommen ist jedenfalls eine außergewöhnliche Maltechnik. Feine Kugelschreiberstriche, in Rot oder Schwarz, die sich über wandgroße Papierflächen ziehen und dabei faszinierende Netze entstehen lassen. Ab Samstag sind die neuen, sehr ästhetischen Arbeiten der Potsdamer Künstlerin in der Ausstellung „Ramoons“ in der Inter-Galerie im Nikolaissaal zu sehen. Neben Bildern aus Haar und Haarfotografien, die ganz klar im Schatten der Kugelschreiberbilder stehen. Und neben einem Objekt, bei dem sich Ramolla am Donnerstag, zur Vorab-Präsentation, noch nicht sicher ist, ob sie es zeigen wird. Es ist sehr persönlich.
Sie findet es „klasse“, dass sie die erste Potsdamerin ist, die Kurator Erik Bruinenberg ausstellt, sagt die 1967 in Cottbus geborene Künstlerin. Ihre Arbeiten hängen jetzt dort, wo bisher nur internationale Künstler ihre Werke gezeigt haben: der Iraker Talal Refit, die in New York lebenden Polin Monika Weiss oder der Holländer Jan Commandeur.
Ramolla steht vor einem ihrer beiden großformatigen Kugelschreibergemälde, dem schwarzen. Zur Mitte hin werden die wahrscheinlich Millionen einzelnen, feinen Striche immer dichter, weben ein Netz, ganz weich, ganz warm, sieht es aus. Vielleicht wird sie es „Der Schuss“ nennen. Man muss genau hinsehen, warum: Ramolla hat in dem Konstrukt ein kleines Loch gelassen, einen Einschuss, der die unregelmäßige Strichidylle unterbricht. Auch neben dem Rotstrich-Gemälde im nächsten Zimmer hängt kein Titel. Es erinnert an Zellgewebe, das zu den Enden hin immer feiner wird, ausfasert. Man mag lange davor stehen und eintauchen in diese so geordnete wie undurchdringliche, weiche Welt. Wie lange sie an ihren filigranen Werken webt? Wieviele Kugelminen sie dafür leer malt? Sie hat keine Ahnung, sagt die Potsdamerin, und das interessiert sie auch nicht. Sie will auch keine ästhetische Kunst schaffen, zumindest nicht vorrangig. Ästhetik ist oberflächlich. Ramolla geht es um Tiefe – nicht um Kugelschreiber oder Zeit.
Bevor ein Werk entsteht, denkt sie viel nach. Dann irgendwann, oft morgens im Bett, halbwach, hat sie ein genaues Bild vor Augen und greift zum Block, damit die Idee nicht verloren geht. Dann ab ins Atelier im Gründerzentrum in der Puschkinallee und los gehts. Oft arbeitet sie an mehreren Bildern gleichzeitig, sie braucht Abstand, Pausen, Abwechslung.
Die Kugelschreibertechnik ist zwar einfacher, aber auch gnadenloser als Öl, sagt sie. Was steht, das steht. Man kann nicht korrigieren. Früher hat sie mit Öl gemalt, da konnte sie übermalen. Jetzt muss sie sehr konzentriert arbeiten. Trotzdem haben die Bilder mit den feinen Strichen auch etwas Meditatives, sogar Befreiendes für sie. Und sie hat die neue Technik noch lange nicht ausgereizt, auch wenn sie in Zukunft vor hat, objekthafter zu arbeiten.
Ihre „Haarbilder“ sind ein Schritt in diese Richtung: In eher kleineren, gerahmten Formaten an den Wänden lockt sich echtes Blond, ist braunes, glattes Haar oder schwarzes, strohiges zu sehen. Man fühlt sich wie in einem Frisörsalon, oder einer Fortbildung über Haarstrukturen. Trotzdem kann man diesen Struktur-Bildern nicht absprechen, schön zu sein. Spannend sind nur die wenigen rätselhaften: wenn das Haar zum unkenntlichen Kunstobjekt drappiert ist, flach am Bildrand liegt, wie ein Fluss, oder sich wie ein Vorhang über das Papier schiebt. Marion Hartig
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