Kultur: Die Gesamtheit im Einklang
Georg Hermann, Ludwig Sternaux und Gisela Heller über den Alten Markt
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Über Potsdam und seine historische Mitte haben sich viele Einwohner und Besucher in Büchern und in anderen Medien immer wieder geäußert, mehr oder weniger kenntnisreich, aber die meisten mit großer Liebe und Verehrung. Natürlich gab es auch solche wie Heinrich Heine oder Theodor Fontane, die bei ihren Besuchen mit kritisch-ironischen Bemerkungen nicht geizten, zumeist in Bezug auf die militärische Traditionen der Stadt.
Die wohl berühmtesten Potsdam–Beschreibungen entstanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Geschrieben wurden sie von zwei Berlinern: von dem Schriftsteller Georg Hermann und Ludwig Sternaux. Hermann wurde 1943 wegen seiner jüdischen Herkunft in Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet,
Beide Autoren haben immer wieder den Alten Markt mit seinem Stadtschloss, der Nikolaikirche, dem Alten Rathaus, dem Palast Barberini mit trefflichen Worten beschrieben, ihm ein literarisches Denkmal gesetzt. Jedes Bauwerk, so Hermann in seinem melancholischen, doch jeder Zeit feingeistigen Buch „Spaziergang in Potsdam“, wurde in vorbildlicher Weise die Gesamtheit in Einklang gebracht, mit der Umgebung, der Straße, dem Platz. „Was hier an Raumwirkungen, an Straßenbildern, an Durchblicken, an Abschlüssen geschaffen worden ist, teilweise (wie Idee und Abschluss der Breiten Straße) auch von Knobelsdorffs Hand, darüber könnte man stunden sprechen.“
Georg Hermann würde, wenn er heute die Gegend um den Alten Markt sehen würde, sich sicherlich enttäuscht vom Zentrum abwenden, denn „sein“ Potsdam ist gerade hier noch immer fast ein versunkenes Vineta.
Auch der Flaneur Ludwig Sternaux verm ochte die Mitte Potsdams mit schillernden Worten zu besingen: „Die schönste Erinnerung noch immer: der Blick durch Knobelsdorffs Kolonnade am Stadtschloss, wenn an vom Bahnhof her über die Kaiser-Wilhelm-Brücke (heute lange Brücke d.Red.) gekommen, an der alten Bittschriftenlinde steht.“ Er schreibt vom Stadtschloss, das sich als ganz unkriegerische Rokokowelt präsentiert. „Die letzten Weihen empfängt das Stadtbild Potsdams eben von Italien.“ Dann lobt er die Nikolaikirche, die er mit seiner unübersehbaren Kuppel als Wahrzeichen Potsdams sieht.
Zu DDR-Zeiten hat die Kleinmachnower Autorin Gisela Heller ebenfalls viel über Potsdam. Dabei hat sie mit pathetischen Worten die sozialistische Bezirkshauptstadt gepriesen, auch deren von Hässlickeit nur so strotzenden Neubauten. Nach der Wende wusste auch Gisela Heller sofort, sich der neuen Zeit in ihren Büchern anzupassen – mit lieblich klingenden, doch hohl wirkenden Worten.Auch den Alten Markt vergaß sie nicht, doch kein Wort über die unsäglichen Ruinenabrisse von Stadtschloss und Garnisonkirche seitens der SED-Oberen. Dafür weinte auch sie dem nicht realisierten Theaterklotz aus DDR-Zeiten nach. „Und die Potsdamer müssens auslöffeln“, so Gisela Hellers Resümee zu dem Platz, der ganz dringend auf seien einstige Gestaltung wartet.
Klaus Büstrin
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