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Erinnerungen an den Sommer. Astrid Germo setzte ihre Urlaubsfotos in Hinterglasmalerei um.

© Andreas Klaer

Kultur: Die Glasbraut

Die Potsdamerin Astrid Germo zeigt ihre Hinterglasmalerei in der Galerie Sperl

Stand:

Jeder Fluss hat sein Gesicht. Es spiegelt die Natur, von der es im Zaum gehalten wird. Immer wieder durchfurchen Wasserwanderer dieses schattige Antlitz. Flugs glättet sich nach den schnellen Schnitten die aufgerissene Haut. Sanfte Wellenteppiche breiten sich aus und hallen den Booten wie ein Echo leise nach.

Wie ein Echo sind auch die Bilder von Astrid Germo, die sie derzeit in bester Sommerlaune in der Sperl Galerie zeigt. Die Potsdamerin hat sie nach ihren Urlaubsfotos gemalt, die so zahlreich auf ihren Paddeltouren entstanden sind. Seit ihrer Jugend verbringt sie ihre Ferien „Im Fluss“. Und so überschrieb sie auch diese Ausstellung, in der sie ihre Leidenschaft des Paddelns nun erstmals auf Glas bannte. Glas, dieses Material, das sie seit ihrer Glaserlehre und ihrem Studium an der Burg Giebichenstein in der Heimatstadt Halle nicht mehr loslässt. Ebenso wie das Paddeln, das ihr eine ganz andere Sicht auf die Welt vermittelt: wenn sie sich auf Augenhöhe mit dem Erdboden und der Wasseroberfläche begibt. Einsteigen, ablegen, alles hinter sich lassen. Was zählt, sind nur die nächste Anlege- und Wasserstelle. Ansonsten bewegen sich die Gedanken im Rhythmus des gleichförmigen Paddelschlages.

Die thematisch streng ausgerichtete Ausstellung zeigt Männer und burschikose Frauen mit großflächigen Gesichtern, die ganz entspannt ihre Blicke schweifen lassen. Hier geht es nicht um schneller, weiter, besser, sondern ums Zurücklehnen, ums Alleinseinkönnen auch unter Freunden – um ganz viel Platz für Stille. Das einzige, was treibt, ist die Strömung.

Es sind keine Sportler, die da mit ihren blauen Booten übers Wasser jagen, sondern älter werdende Künstler, die sich seit ihrem Studium in Halle jedes Jahr flussabwärts bewegen und ein bisschen Indianer spielen. „Alles ziemlich krude Typen“, wie Astrid Germo mit ihrer angenehm warmen Stimme sagt. Sie lächelt, wenn sie erzählt, wie sie nach ihren oft durchregneten Paddeltouren durch die polnische Wildnis völlig geschafft, aber glücklich im Zug zurückfahren. „Die Mitreisenden nehmen meist Abstand von uns, weil wir etwas riechen.“ Gewaschen wird sich schließlich nur im Fluss.

Die Figuren auf ihren Bildern sehen indes sehr gepflegt und adrett gekleidet aus. So viel malerische Freiheit muss sein. Auch bei einer Künstlerin, die sich in der freien Gestaltung eher die Zügel anlegt. Astrid Germos Äußeres passt zu den Figuren der Faltbootgemeinde, diesen konturenstarken Typen, deren Herbheit durch modische Accessoires wie glitzernde Ohrringe, Halsketten oder sommerbunte Kleider mit fröhlichen Ornamenten gebrochen ist. Auch die Malerin ist eher von sportiver Natur, zeigt aber durchaus ihre Freude an den kleinen schmeichelnden Zutaten, die für die Ausstrahlung so wichtig sind.

Die farbkräftige Malerei von Astrid Germo hat immer auch etwas Naives. Die Künstlerin bleibt an der Realität. „Das Abstrakte liegt mir nicht so, aber ich arbeite auch nicht fotorealistisch.“ Ihre Bilder sollen die Stimmung einfangen. Und dafür tüpfelte sie fast wie die Impressionisten das Wolkige in die Weite der Flusslandschaften hinein. Die teils kraftstrotzende Körperlichkeit der Figuren ist der Maltechnik mit geschuldet. „Ich muss eine Großzügigkeit schaffen, um auch im Detail etwas erkennbar zu machen. Wenn die Figuren und die Gesichter zu klein werden, laufen sie zusammen.“ Astrid Germo malt mit Lacken auf dem Untergrund. Schicht für Schicht, dünn lasiert. Sie baut das Bild von vorn nach hinten auf, modelliert dabei die Details plastisch heraus. Wie auf einer Bühne. Die Schicht, die sie zuerst malt, sieht man auch als Erstes. „Demzufolge male ich zuerst meine Unterschrift.“ Die setzte sie für diese Ausstellung auf rund 20 Bilder. „Ich kam selbst dabei in einen Fluss, denn der Termin der Eröffnung stand und ich musste pünktlich fertig werden.“

Dieses sommerliche Thema trug sie sicher über die graue Jahreszeit, die ihr immer mehr zu schaffen macht, und warf sie pulsierend in den Fluss der Erinnerung zurück. Astrid Germo war 18 Jahre, als sie von ihren Eltern ein Faltboot geschenkt bekam. Ein Boot, das Kult war. Und Bückware. Um einen Reisezweier 95 – kurz RZ 95 genannt – zu bekommen, musste man in der DDR schon Beziehungen haben. Astrid Germos Eltern hatten offensichtlich welche. Die Mutter, selbst Paddlerin, der Vater, Zehnkämpfer, gaben ihre Liebe zum Wasser jedenfalls an die Tochter weiter. Und die wiederum an ihre beiden Töchter, die jetzt allein in See stechen: mit diesen schneidigen Booten aus Plaste und Plane.

Astrid Germo taufte ihr Faltboot „Glasbraut“, so wie sie selbst von den Freunden genannt wird – seit ihrem Studium auf der Burg an der Saale. Fast 30 Jahre hält die paddelnde Künstlertruppe, die Astrid Germo liebevoll ihre „Hottentotten“ nennt, inzwischen zusammen. Und sie als Glasbraut ist immer dabei. Ihre nunmehr sechste Ausstellung in der Galerie Sperl ist wie das Album ihrer Ausflüge in verwunschene Landschaften mit verzweigten Wasserläufen. Auch der Betrachter lässt sich gern mit forttragen von der Stille des Flusses.

Zu sehen bis 28. April, Sperl Galerie am Nikolaisaal, Mi bis So, 12 bis 18 Uhr, Wilhelm-Staab-Straße 10/11

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