
© Oxymoron/Peter Adamik
Kultur: Die Globalisierung und der Einzelne
Bei „G12ff“ verbindet sich die Tanzcompany Oxymoron mit den Musikern des New Ideas & Chamber Orchestra aus Litauen
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Sie sitzen nicht brav in einem Halbkreis, um ganz verinnerlicht über ihre Geigen und Celli zu streichen. Die sechs litauischen Musiker um den 26-jährigen Komponisten und Dirigenten Gediminas Gelgotas erobern mit ihrem New Ideas & Chamber Orchestra spielend den Raum. Sie bewegen sich mitten ins Publikum hinein, inszenieren ihre Musik als Hörerlebnis. Ja, sie sprechen und singen auch dabei. Bei ihnen gibt es keine Grenzen. Die Musiker setzen auf Kommunikation: mit den Zuschauern und zwischen den Stilen.
Und genau das ist auch der künstlerische Ansatz der Tanzcompany Oxymoron aus Potsdam. Vor vier Jahren gründete Choreografin Anja Kozik die Plattform „Oxy & Friends“, um mit befreundeten Künstlern nach neuen Ausdrucksweisen zu suchen. Nun wagt sie sich mit ihren Tänzern erstmals auf ein ganz unbekanntes Terrain: Sie entwickelt aus dem Moment heraus eine Choreogafie im Dialog mit Live-Musik. Seit fast einer Woche proben die sechs Streicher um Gediminias Gelgotas und die vier Tänzer von Anja Kozik zusammen in der Schiffbauergasse, um am morgigen Freitag ein erstes Ergebnis auf der Bühne des T-Werks zu präsentieren.
Das Thema stand bereits im Frühjahr nach den ersten Gesprächen zwischen Anja Kozik und Gediminas Gelgotas fest: Es sollte um die Globalisierung gehen, um diese Eine-Waren-Welt – wo die gleichen Produkte überall zu haben sind. Darum, was Globalisierung für jeden Einzelnen bedeutet. Zu Beginn ihrer Performance „G12ff“ werden alle Akteure gemeinsam auf die Bühne kommen – ohne Instrumente, dafür mit Marlboro-Zigarette in der Hand. Dann treten sie einzeln aus den Rauchschwaden heraus, um ihr ganz persönliches Statement zur Globalisierung abzugeben. Die eine benennt ihre Ängste vor Vereinnahmung und wegbrechenden Traditionen, vor Euro-Krise und Verantwortung für die Ärmeren. Ein anderer freut sich über den Abbau von Grenzen, der zu einem neuen Miteinander führen kann. „Es geht um die ganz eigene Sicht der jungen Leute, um Fragen, nicht um fertige Antworten“, so Anja Kozik.
Die Kupplerin zwischen Oxymoron und seinen Freunden aus Litauen war die Potsdamer Produzentin EllenWölk, die deutschlandweit Festivals in den verschiedensten Genres organisiert. Sie kannte die Arbeit der Waschhaus-Company Oxymoron ebenso wie die des New Ideas & Chamber Orchestra und war überzeugt: „Die zusammen wären eine ideale Kombination.“ Oxymoron arbeitet sehr stilübergreifend und überschreitet die klassischen Standards, und das Orchester von Gediminas Gelgotas tut das Gleiche für die zeitgenössische Musik. „Er ist Wegbereiter einer neuen Generation von Komponisten“, so Ellen Wölk. Gediminas Gelgotas nennt seine Kompositionen Modern Minimal Music. Sie sei inspiriert von Philipp Glas und Arvo Pärt, von indischer Folklore und Pop. Er sucht nach einem Klang, der alles in sich vereint: Klassik, Jazz, Pop und Avantgarde.
Der Komponist, der in seiner Familie mit den Traditionen der klassischen Musik aufgewachsen ist und selbst sehr früh das Klavierspiel erlernte, wollte schon als Teenager das Althergebrachte aufbrechen. „Ich fand es einfach zu langweilig.“ Und so gründete er mit 20 sein eigenes Orchester und begann, eigene Musik zu schreiben. Sie schlägt den Bogen zwischen Ost und West, zwischen Klassik und Pop. „Musik, die verständlich ist, auch für junge Leute, die zu unseren festen Konzertbesuchern gehören. Dennoch spielen wir keine Entertainment-Musik“, sagt der Komponist aus Vilnius.
Als sie im Sommer ein Konzert an der polnischen Ostsee mit dem Orchester erlebte, habe es wie eine Choreografie ausgesehen, erinnert sich Anja Kozik. „Eine meine Tänzerinnen fragte denn auch: Es ist schon so voll, was sollen wir da noch machen?“ Aber Anja Kozik fand durchaus Raum für eigene Bilder. Die Choreografin ist geradezu begeistert von dieser zeitgenössischen Musik, die gut hörbar und gut tanzbar sei und sie zu ganz neuen Bewegungen anrege. „Hier durchdringen sich zwei starke Energiefelder. Der unmittelbare Kontakt zu den Musikern gibt uns ganz viel Kraft. Am Ende sehen wir zehn Solisten auf der Bühne, die zusammenfinden und immer wieder auch eigene Wege gehen.“
Nach einer Woche können es natürlich nur erste Gehversuche sein. Aber das Projekt soll im kommenden Jahr fortgeführt werden. Die Suche nach Sponsoren ist bereits im Gange. „Eigentlich besteht das Orchester ja aus neun Streichern. Doch für alle hatten wir nicht das Geld und auch nicht den Platz“, so Anja Kozik. Die Performance „G12ff“, die auch in Vilnius gezeigt werden soll, versuche jedenfalls sehr klar eine Haltung zu zeigen. „Ich mag nicht, wenn man die Leute irritiert. Je klarer wir selbst sind, umso mehr schubsen wir die Fantasie der Zuschauer an“,betont Anja Kozik. Tanz und Live-Musik als spannender Assoziationsraum. Vielleicht noch spannender, wenn beide aufeinandertreffen.
„G12ff“ am Freitag und Samstag, den 14. und 15. Dezember, jeweils 20 Uhr, im T-Werk, Schiffbauergasse. Karten unter Tel.: (0331)719139
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