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Kultur: Die Gnadenkirchen

Kulturforum Osteuropa erzählt die Geschichte der schlesischen Friedenskirchen in einer Ausstellung

Kulturforum Osteuropa erzählt die Geschichte der schlesischen Friedenskirchen in einer Ausstellung Von Jan Kixmüller Wenn man erst einmal das Gebäude betreten hat, meint man einer optischen Täuschung aufgesessen zu sein. Was von außen wirkt wie ein geräumiger Heuschober in Fachwerkbauweise, entpuppt sich innen als atemberaubend prächtiger Sakralbau von geradezu unverfrorenen Ausmaßen. Alles ist in Holz gearbeitet, farbig und ornamentreich die Kirchenkunst, Rängen gleich überspannen ausladende Balkone den Altarraum – hier hatten einmal über 6000 Menschen Platz. Noch eigentümlicher wird diese Kirche, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das heute polnische Städtchen Jawor (einst Jauer) noch nie viel mehr war als eben ein Städtchen. Wie kommt nun ein so ausuferndes Gotteshaus in diesen Ort? Die am Sonntag (11 Uhr) beginnende Ausstellung „Die schlesischen Friedenskirchen in Schweidnitz und Jauer – Ein deutsch-polnisches Kulturerbe“ im Haus „Im Güldenen Arm“ lüftet das Geheimnis dieser außergewöhnlichen zwei Kirchen. Drei gab es von ihnen einst, neben der in Jawor steht heute noch die in Swidnica (ehemals Schweidnitz), die sogar 7500 Gläubige aufnehmen konnte. Die dritte so genannte Friedenskirche stand in Glogau, sie ist im Jahre 1758 niedergebrannt. Die Ausstellung des Kulturforums östliches Europa zeigt nicht nur auf großformatigen Bildern des Potsdamer Fotografen Matthias Marx das einzigartige Interieur der protestantischen Kirchen, auf Tafeln wird auch ausführlich die Geschichte dieses deutsch-polnischen Kulturerbes erzählt. Niederschlesien war bereits in der frühen Neuzeit ein stark deutsch geprägtes Land, die Reformation breitete sich hier ebenso früh aus. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war Niederschlesien vorwiegend evangelisch. Erst um 1600 löste ein neues katholisches Selbstverständnis auch hier die Gegenreformation aus. Nachdem das Land durch Erbfolge an die Habsburger fiel, sprach sich der in Spanien erzogene Rudolf der II. gegen die Duldung der evangelischen Konfession in seinem Reich aus. Der Dreißigjährige Krieg schließlich war ein Wendepunkt, in seiner Folge kam es in Niederschlesien zu einer massiven Rekatholisierung. Der Druck auf die Protestanten war enorm. Allein 1653/54 wurden im Fürstentum Schweidnitz-Jauer 254 evangelische Kirchen eingezogen. Auf Druck Schwedens und einiger protestantischer Reichsfürsten konnten bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648 Kaiser Ferdinand III. Zugeständnisse zu Gunsten der Evangelischen Kirche in Schlesien abgerungen werden. Dazu gehörte das Recht, je eine Kirche vor den Toren der Städte Schweidnitz, Jauer und Glogau zu errichten. Wohl gemerkt: „vor den Toren“, auch heute noch wundert man sich bei einem Besuch, dass die Friedenskirchen außerhalb des Altstadtrings zu suchen sind. Weitere Auflagen für die Kirchen sahen vor, sie aus Holz und ohne Glockenturm zu bauen. Aus der Not eine Tugend machend, versahen die Protestanten die Friedenskirchen mit einer für evangelische Verhältnisse überaus reichen barocken Ausstattung und einem enormen Fassungsvermögen. Schließlich mussten die Gläubigen der gesamten Umgebung zum sonntäglichen Gottesdienst Platz finden. Erst nach der Eroberung Schlesiens durch die Preußen 1746 erhielten die Protestanten volle Glaubensfreiheit und ihre Kirchen zurück. Die Friedenskirchen sind schließlich ein Ausdruck eines starren Selbstbehauptungswillens. Trotz der Repressalien hielt ein Großteil der Bevölkerung an der evangelischen Konfession fest. Diese Kirchen allerdings auf den Bildtafeln der Ausstellung zu betrachten, vermittelt nur wenig von dem überwältigenden Eindruck, den man bekommt, wenn man die Gotteshäuser betritt. Als Einladung für eine kleine Entdeckunsgreise also ist diese Ausstellung zu verstehen, zumal Jawor und Swidnica nur gut 350 Kilometer von Potsdam entfernt sind. Wichtig sicherlich auch, auf diese einmaligen Denkmäler aufmerksam zu machen. Denn für ihre aufwändige Restaurierung, die seit Jahren in enger deutsch-polnischer Kooperation betrieben wird, ist noch viel Geld notwendig. 15. August bis 19. September, Haus „Im Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Str. 3, täglich von 11 bis 18 Uhr.

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