Von Klaus Büstrin: Die große Nähe
Menschen und Räume von Monika Schulz-Fieguth und Manfred Kriegelstein im Kunsthaus
Stand:
Der Tod soll des Schlafes Bruder sein. Ganz sanft liegt er auf seinem Bett, der alte Mann, so als ob er für kurze Zeit nur ein wenig eingeschlafen ist. Doch Monika Schulz-Fieguth hat ihren Vater auf dem Totenbett fotografiert, sanft, liebevoll und voller Ehrfurcht vor dem Toten. Die Stille, die von diesem Bild ausgeht, ist ergreifend. Das alte Lied „O Tod, wie bitter bist du“ hat hierbei keinen Platz.
Aber vielleicht spürt dies der andere alte Mann aus der Serie „Schmerz“. Es ist so, als ob man seinen Schrei hört, der durch Mark und Bein geht. Den schmerzhaften Erinnerungen des Onkels und das damit verbundene Leiden bis ins hohe Alter hinein kann sich der Betrachter wohl nicht entziehen. Die existenzielle Angst eines Menschen steht deutlich vor Augen: „O Tod, wie bitter bist du“. Ganz aus der Nahsicht sind die Aufnahmen entstanden. Und die große Nähe der Künstlerin zu diesen Menschen ist unverkennbar. Bilder von Vergangenheit, Tod und Zerstörung sind derzeit in einer bewegenden Ausstellung im Kunsthaus Potsdam zu sehen. Die beiden Potsdamer Fotografen Monika Schulz-Fieguth und Manfred Kriegelstein stellen in einer Auswahl ihre digital bearbeiteten Fotografien vor. Man geht nicht beschwingt durch das Kunsthaus, sondern nachdenklich, aber nicht bedrückt.
Die Künstler zeigen, was die meisten Menschen nicht wahrhaben wollen: Die Begrenztheit des Lebens. Manfred Kriegelstein gibt davon ebenfalls Kunde, aber er wählt dafür andere Zeichen: leere, morbide und verfallene Räume. In ihnen war einst Leben, Lachen und Schmerz. Aber dies ist Vergangenheit. Man sieht nun zerschlissene Tapeten oder eine Operationsliege, auf der in jedem Moment die Decke mit ihrem unheimlich wirkenden Beleuchtungskörper herunterstürzen will, oder den einsamen Stuhl, der es wohl aufgegeben hat, dass jemand ihm seine Freundschaft bekundet. „Leere Räume haben eine Seele“, sagt der Fotograf. In die meisten Zimmer, Säle und Treppenhäuser scheint aber natürliches Licht, kein gleißendes, sondern warmes, durch Fenster, weit geöffnete Türen oder nur durch einen Türspalt. Licht und Schatten wollen mit den alten Räumen spielen. Es ist, als ob sie sagen wollen: Ihr Räume, ihr Menschen seid vergänglich, aber wir nicht. Wie gemalte Bilder wirken Kriegelsteins Fotografien. Beeindruckend.
Dann sind da noch die Porträtaufnahmen des Potsdamer Physikers Jürgen Treder. Monika Schulz-Fieguth hat ihn über 20 Jahre fotografisch begleitet. Man spürt, dass er die Würde auch im hohen Alter mit all seinen Beschwernissen nicht verlieren möchte. Hoch aufgerichtet sitzt er in seinem Stuhl, wie eine Skulptur.
Bilder vom Abschied haben in dieser Ausstellung Priorität. Doch Monika Schulz-Fieguth zeigt auch drei Fotografien vom Leben, vom beginnenden und erlebnisreichen: die schwangere Franziska und Berührung. Sie wirken in dem Nebenraum aber wie nicht dazu gehörig. Und da bei sind sie doch so voller Hoffnung.
Bis 30. November, Mi-Fr. 15 bis 18 Uhr, Sa-So 12 bis 17 Uhr, Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: