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Von Klaus Büstrin: Die große Stille

Neue Ausstellung im Kunstraum Potsdam: Fotografien von Göran Gnaudschun

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Die Sitzungen können lange dauern, sagt Göran Gnaudschun, die Sitzungen für die Aufnahme eines Fotoportraits. „Die Kommunikation wird dabei weitgehend herunter geschraubt. Eine beruhigte Situation sollte dabei eintreten“, erzählt Gnaudschun über seine Herangehensweise. Auf keinen Fall will er auf den Nerven der Menschen vor der Kamera herumspringen, wie es beispielsweise die Porträtistin Liselotte Strelow von sich behauptet. Mit ihrer Art wollte sie auf den Kern der Persönlichkeit hinter der verborgenen Maske vorstoßen.

Göran Gnaudschun aber interessiert, wie er selbst betont, in dem meist langwierigen Portraitprozess der Moment, an dem sich der Blick von außen nach innen zu richten scheint, wenn der Blick weder den Betrachter oder den Fotografen meint, sich aber trotzdem nicht vollständig nach innen zurückgezogen hat.

„Innen und Außen“ nennt der Potsdamer Göran Gnaudschun seine aktuelle Ausstellung im Kunstraum in der Schiffbauergasse. Er gehört längst zu den wichtigen jungen Künstlern der Stadt und darüber hinaus, der ohne viel Aufheben sich der Fotografie widmet. Dabei entstehen auf den ersten Blick ganz unspektakuläre Arbeiten, die aber beim zweiten eine große Faszinationskraft ausstrahlen. Besonders bei den Portraits. Gnaudschun konzentriert sich ganz auf die Gesichter und verzichtet auf alle körpersprachlichen Momente. Keine Selbstdarstellungen sind zu sehen, nichts wird über die Portraitierten erzählt, außer dass man ihnen eine bestimmte Introvertiertheit anmerkt. Gnaudschun wählte für diese Bilder ausschließlich junge Menschen, die noch keine lange Lebensgeschichte auf ihren Gesichtern mitzutragen haben. Es sind Mädchen und Jungen, die noch ganz unverkrampft in die Kamera blicken können.

Die großformatigen Bilder, die ganz konservativ mit der Analog-Fotografie hergestellt und vergrößert wurden, atmen eine große Stille aus. Geht man oberflächlich an den einzelnen Bildern vorbei, könnte der Betrachter denken, jedes Portrait ähnelt sich im Ausdruck. Doch das genaue Hinschauen offenbart: Das Augenlicht und die Intensität ihrer Offenheit mit der die Fotografierten sich zeigen, fesseln ungemein, laden für eine längere Zeit zum Hinsehen ein. Und das Schöne, man wird schließlich selbst von einer schönen Ruhe umfangen. Den Portraitprozess von Göran Gnaudschun kann man in der oberen Etage ein wenig nachvollziehen. Auf einer Projektion sind die sich unmerklich vielfältig verändernden Gesichtszüge eines Modells während des Fotografierens zu sehen. Als Endlosschleife.

Inseln sind bekanntlich in einem Meer oder Binnengewässer liegende über den Wasserspiegel hinausragende Landmassen, die vollständig von Wasser umgeben sind. Göran Gnaudschuns „Inseln“ liegen jedoch auf dem Land, inmitten von ungepflügten Äckern. „Es sind Störstellen in einer sonst einheitlichen Fläche, sind aber auch Stellen, die diese strukturieren“, so der Eindruck von Göran Gnaudschun. Er will mit diesen „Inseln“, die er im Fläming fand, ins Gespräch. Aber sie wurden für ihn, wie er es selbst feststellen musste, zu Selbstgesprächen. In dieser Landschaftsformation mit ihrer Horizontale und Vertikale, ihrer Offenheit und Geschlossenheit, wo man keinen Wind spürt, kein Tier zu erspähen ist, ist man mit seinen Gedanken allein, kann man sich in seine eigenen Deutungen hinein begeben.

Überhaupt lädt Göran Gnaudschun den Betrachter immer wieder zu eigenen Interpretationen ein. Auch bei der Arbeit „The Air Near My Fingers /Luft berühren“. Er bezeichnet diese Fotoserie als Tagebuch, als Lockerungsübung. Er fotografierte das, was ihm so gerade begegnete, einfach aus der Situation heraus. Manchmal war Banales darunter, dann auch wieder Großartiges: blühende Baumkronen, eine zerknautschte Bettdecke, ein sich öffnender Vorhang, Neubauten, Hagebutten, eine Parklücke oder ein dunkler Wald, über dem ein Sonnenuntergang gerade noch erkennbar ist. Diese Fotografien leben von großen Kontrasten, doch strahlen sie gerade wegen ihres unspektakulärem Alltagserlebens eine große Stille aus.

Gnaudschun sieht sein Schaffen als „eine Transformation von Realität mit fotgrafischen Elementen an, als Ausgleich von Innerem und Äußerem.“

Bis 15. Februar 2009, Kunstraum Potsdam, Schiffbauergasse 4d, Mi-Fr 12 bis 18 Uhr, Sa/So 11 bis 18 Uhr. www.kunstraumpotsdam.de

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